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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0085
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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substantielle* 1 Station auf dem Wege des absteigenden Seins und
ebenso auf dem des ansteigenden Rückweges; ja die Weltseele wird
bisweilen unmittelbar mit der Sonne als der beherrschenden
‘Mitte’ zwischen himmlischer Seinswelt und irdischem Bereiche
des Wandelbaren identifiziert2. Bei Platon hat niemals die Seele
solchen Ort in einem gestuften Gefüge des Seins; denn es gibt für
ihn keine faktischen Stufen des Seins, sondern nur Stufen des
Werdens zum Sein hin, d. h. Stufen erreichter Methexis in der
Sphäre des Mehr oder Minder. Und Platon kennt nicht den Her-
weg, den substantiellen ‘Hervorgang’ der Seele aus dem Einen.
Daher ist bei ihm die Seele auch nicht irgendwie dem Schematismus
der Tmemata statisch einzufügen, sondern ihr Wesen ist in der
Mission beschlossen, aus der Komplexität von Werden und Sein
sich zu erziehen zu einem Werdenden zum Sein hin; als Seele
berufen, kraft reiner Wahr-Erkenntnis von ihrer Einheit her
seiend zu werden; als Weltseele bestimmt, das Sein des Werdens
durchwaltend zu umfassen. Da für Platons Seelenbegriff das
Logistikon maßgebend ist und bleibt, im Begriff des reinen Denkens
aber die wahre Bewegung, ja der einzig wahre ‘Weg’ enthalten
ist, so kann Seele nie an einen bestimmten oder unbestimmten
Teil des Seins fixiert werden. Nicht die Anklänge an Erkrankung,
Verunreinigung und Fall der Seele schon bei Platon, in Bildern
Platonismus sich hinsichtlich des Seelenbegriffes verschmelzen lassen, zeigt
Aristoteles’ Polemik gegen die seelische Kinesis in De anima 406aff., der
Schluß von Metaph. H und der Aristotelische Gedanke, ‘formende’ und ‘er-
kennende’ Seele zu trennen und nur die formende wirken zu lassen. Über die
historische Wirksamkeit dieses Lehrstückes s. R. Seeberg in D. Lit.-Ztg.
1934 Heft 2 in der Rezension über Lügers Unsterblichkeitsfrage bei Johannes
Scotus. Über das Grundsätzliche des griechischen Seelenbegriffs s. Wila-
mowitz, Platon I, 336; für Platon speziell aber kommt die Tradition hinzu,
in der er steht: Der ‘Weg’ der Seele von Heraklit, die ‘Einheit’ der Seele,
soweit sie auf das Gute gerichtet ist, von Sokrates. Erst beides zusammen
ergibt für Platon das Selbst der Seele.
1 Alle die hier berührten Probleme der Psychologie stehen auch im
Zusammenhänge mit der Dämonologie. Bei Platon wirkt der Begriff
des Dämonischen auf die Systematik nicht primär und konstitutiv,
sondern er spielt seine Rolle als plastischer Ausdruck der Methexis. Erst
Xenokrates wird der Vater platonisierender Dämonologie, und seine Annahme
von Wesen mittlerer Substantialität eröffnet der Dämonenlehre, namentlich
derjenigen orientalischer Provenienz, weiten Zugang in das Innere der philo-
sophischen Lehrgebäude.
2 In scheinbarem Anschluß an Platon, indem Stellen wie Resp. 508a,
515e mit solchen wie Tim. 39b, 40a kombiniert wurden.
6 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1934/35. 2. Abh.
 
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