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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0105
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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düng und der Seelenerhebung. All das bekam freilich religiös erst
durch die christliche Auffassung von Elend, Gnade und Erlösung
seine neuen und eigenartigen Erlebnisinhalte. Sollten diese aber
philosophisch bewußt gemacht und lehrmäßig in Form gebracht
werden, so mußte man jene Linie wiederaufnehmen und fortführen,
die bereits mit der hellenistischen Platonkonversion begonnen hatte.
So stand es auch mit demjenigen Lehrstück, für welches die
christliche Mystik schon früh die hellenische Philosophie als Eides-
helfer beanspruchte: der göttlichen Trinität, welche Platon vorweg-
genommen haben sollte. Das Eine, göttlich-Gute Platons schien
den christlichen Platonikern deutlich die Züge des Schöpfergottes
und des Vaters aller Wesen an sich zu tragen1; Platons Ideenreich
als Inbegriff aller Wahrheit, als unmittelbarer Zeuge und erstes
Erzeugnis von Gottes Sein, wurde (wie bei Philon) dem Sohne ver-
glichen2; und das ursprünglich und rein Geistige, das als seelische
Dynamis den Leib belebt und durchwohnt, von Gott gesandt ist
und zu ihm zurückstrebt, wurde megakosmisch dem Heiligen Pneu-
ma gleichgesetzt3, das nach Art der Weltseele ins Kreatürliche er-

1 Doch diesen Vater zu finden bezeichnet der Timaios 28 c als schwierig,
Clemens als leicht: mcrreöoai D-epiZioq yvcoasox; Str. VII, 55. Mit dieser
Differenz war kurz und erschöpfend der ganze Unterschied zwischen gläubiger
Gotteskindschaft und spekulativer Gottesweisheit gekennzeichnet.
2 Daß Gott Vater und Sohn zugleich sei, ist nach E. Norden in helle-
nischer Philosophie erst seit Chrysippos nachweisbar. Vgl. Agnostos Theos,
Berlin 1913, S. 229 über Philodemos De piet. p. 80 Gomperz: anocvTa Vecmv
ailHjp, 6 auTo? cov xal rox-r/jp xal öioq. Zudem ist Gott in dieser aus orientalischer
Spekulation stammenden Vorstellung (die den Alten als 'orphisch’ galt) auch
Mutter: Progenitor genetrixque (Soranus). Diese Einung von Männlichem und
Weiblichem, sowie von Schaffendem und Geschaffenem in Gott wirkt noch
bis in den christlichen Neuplatonismus hinein, ja leistet Vorschub, um Christ-
liches und Hellenisches auf orientalisch-gnostischer Basis in scheinbare Har-
monie zu bringen. Indessen darf man nicht meinen, daß schon Platons 'drei
Prinzipien’ aus der Rezeption solcher orientalischen Frühgnostik erklärlich
seien. Das Dreierlei der Platonischen Prinzipien war allein vom philosophi-
schen Seinsbegriff her motiviert. Und es bedurfte einer erst in Jahrhunderten
sich vollziehenden Wandlung der Denkform des hellenischen Logos, bis die
Prinzipienlehre Platons, ihres Eigencharakters entkleidet, als Kronzeuge für
orientalische, primitiv indifferente Begriffshypostasen aufgerufen werden
konnte. Zur vorwissenschaftlichen Denkform der Indifferenz vgl. E. Cassirer,
Die Begriffsform im mythischen Denken, Studien der Bibi. Warburg, I, 1922;
und E. Hoffmann, Die Denkform in der vorsokrat. Philosophie, Der philos.
Unterricht, I, 1930, S. 153.
3 Über den Geistbegriff in den synoptischen Evangelien s. H. Leise-
 
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