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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0108
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104

Ernst Hoffmann:

bleibt. Und auch wo das Christentum spekulativ wird, bleibt ein
Unterschied zur platonisierenden Spekulation bestehen1; denn Gott
ist in Christus für den Menschen nicht nur'Fleisch’, sondern'Mensch’
im Sinne von 'Ich’ geworden2; und erst durch die Mittlerrolle
dieser 'Ichheit’ des Sohnes wird jenes in der Wurzel neue Verhältnis
zwischen dem menschlichen Ich und der Gottheit gegründet, wel-
ches in der Idee die Form persönlicher Lehenseinung mit dem
göttlichen Willen durch die christliche Fassung des Geistbegriffes
annehmen kann. Aber worauf es in unserem Zusammenhang an-
kommt, ist dieses: Die christliche Spekulation bedient sich der
platonisierenden, nicht um mit ihr zu brechen, sondern um sie (nach
christlicher Ansicht) erst wahrhaft zu erfüllen. Wo das Christen-
tum als Lehre Bedarf nach philosophischer Begriffsbildung hat, da
geht es heim Platonismus in die Schule. Und sofern man vom
religiösen Glaubensinhalt, vom spezifisch-christlichen Erleben der
Heilswahrheit absieht, muß als philosophiegeschichtlicher Sach-
verhalt festgestellt werden, daß mit den anderen mystischen An-
sätzen der hellenistischen Philosophie auch die Trinitätsspekulation
als Erbe der Antike, als Lehrstück von der 'Dreinatur’ des Seins-
ganzen, im christlichen Philosophieren weiterwirkt: erstens als
kosmologisches3 Erbe, zweitens aber auch als logisches: denn Gott-
Vater wird nun dialektisch als das 'Eine’ gedacht; Gott-Sohn als
das 'Andere’, ihm Gleiche; Gott-Geist als die unlösliche'Verbin-
dung1’ zwischen dem Einen und dem Andern4. Für unsern Zu-
sammenhang aber ist die Frage aufzuwerfen, an welcher Stelle
innerhalb der antiken Philosophie der historische Beginn des
Trinitätsgedankens zu suchen ist.
1 Wofern die christlichen Schriftsteller nicht einfach neuplatonische For-
meln abschreiben, was in der Mehrzahl der Fälle geschieht: auf diese Weise
wird ein Jamblichus zum Urheber 'christlicher5 Dogmen.
2 Daß allein dieses Wort "Ich5 für den Sachverhalt erschöpfend ist, lehrt
das Referat von A. F. Liddell, Religion and Philosophy, Verhandl. des
III. Internat. Kongresses für Philosophie, Präg 1934.
3 Wie es durch die Entwicklung des Christentums in der Kirchen-
geschichte gegeben war, daß der Sinn der Dreieinigkeitslehre aus der kosmisch-
räumlichen Dimension in die historisch-zeitliche überging, bleibt für unseren
auf die Antike beschränkten Zusammenhang noch außer Betracht.
4 Augustinus, Doctr. Christ. I, Y. 5: dicitur trinitas haec unus Deus ex
quo omnia, per quem omnia, in quo omnia, ... in patre unitas, in filio aequa-
litas, in spiritu sancto unitatis aequalitatisque concordia; et tria haec unum
omnia propter patrem, aequalia omnia propter filium, conexa omnia propter
spiritum sanctum.
 
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