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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0110
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Ernst Hoffmann:

also in engste Verbindung zueinander treten. Gerade hierdurch
konnte die Aristotelische Philosophie den Anhängern des Imma-
nenzgedankens nicht nur als Kritik und Korrektur, sondern als
Vertiefung und Vollendung des Platonismus erscheinen. Aber diese
scheinbare Vertiefung gelang nur dadurch, daß alle drei Prinzipien
bei Aristoteles grundsätzlich unplatonisch gefaßt wurden: In Gott,
nicht wie bei Platon in den Ideen, liegt die 'reine Form’; in den
Ideen, nicht wie bei Platon in Gott, liegt die bildende Kraft; im
Stoffe, nicht wie bei Platon in der Methexis, liegt die Möglichkeit
für die zweckmäßige Bewegung der Natur. So wird erstens Platons
metaphysischer Gottesbegriff intellektualisiert: Gott als die reine
Form ist zugleich das reine Denken und als solches die wahre
Wirklichkeit, und demgemäß, weil Ziel alles Weltstrebens, unbe-
wegter Beweger aller Bewegung. Zweitens, Platons noetischer
Ideenbegriff wird dynamisiert: die Idee wird gestaltende und aktive
Kraft in den Einzelsubstanzen der Erscheinungswelt und muß an
den Dingen selbst als dem Gegebenen unserer Erfahrung aufgesucht
werden. Da aber drittens die Form im Stoffe selber wirkt1, so ist
eine begriffliche Kontinuität der drei Prinzipien hergestellt, die in
Wahrheit bereits eine erschöpfende Trias ausmacht, und Platons
tmematisches Motiv erscheint nur noch als ein der systematischen
Überwindung bedürftiges Verharren bei der Abstraktion. Gott als
die reine Form, die Ideen als die wirkenden Formkräfte, der Stoff
als das die Formung Ermöglichende, sie bilden für das organische
Denken der Aristotelischen Wissenschaft nicht drei Bereiche diver-
genter Denkstile, sondern ein systematisches Gefüge von Gegen-
standsteilen der Erkenntnis, die einem grundsätzlich homogenen
Begriffsapparate zugänglich sind.
Zeller hat in dem seine Darstellung des Aristotelismus abschlie-
ßenden Kapitel die grundsätzlichen Motive des Stagiriten klar ge-
sehen; in den auf Zeller folgenden Darstellungen scheinen sie mir
in zunehmendem Maße verdunkelt. Es ist ohne weiteres einzu-
räumen, daß manche Aussagen des Aristoteles über Gott im Wort-
laut noch Anklänge an Platon2 haben; aber man muß anderer-
1 In diesem Sinne ist es wohl zu verstehen, daß Metaph. 1032b lf. der
scheinbar der Aristotelischen Terminologie widersprechende Satz steht: sISo<;
8k Xsyü) t6 tl zlvca exdoTou xcu tt)V 7rpcoT7)V ouatav.
2 Vornehmlich Stellen früher Schriften, in denen tatsächlich der Einfluß
Platons noch wirksam war (z. B. De prec. frg. 46, p. 1483a 27 6 &ebq rj von;
io™ ihixsivoc tl toü voö ), oder Stellen der späteren Aristotelestradition, die
bereits wieder platonisierte (z. B. M. mor. 1200b 13 6 lkö<; ßsdorcov apEi%
 
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