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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0111
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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seits einsehen, daß die eigentliche Funktion Gottes bei Aristoteles
auf einen Begriff übergegangen ist, den Platon weder dem Worte
noch der Sache nach hatte; es ist der Begriff der Energeia* 1 * * *, welcher
an Stelle der Platonischen Ideen das Wirklichsein ausmacht, und
welchen Aristoteles in Gott nur in reinster Form, nur in der Form
reiner Denk-Energie zuläßt. Hiermit erst beginnt die Geschichte
des griechischen Intellektualismus. Erst bei Aristoteles, nicht bei
Platon, kulminiert Alles im reinen vostv. Und nur weil alles im

xod oü xoct5 ap£TY)v ecm cntouSato?). Zwischen beiden aber stehen diejenigen
Formulierungen, die den genuin Aristotelischen Gottesbegriff deutlich als den
ersten Versuch kennzeichnen, Theismus in wissenschaftlicher Form zu be-
gründen: 6 -ö-soc; tÖ 7cp£>Tov xivouv axivTjTOV, ddSiov xod oücrioc xod svspysia . . .
•9-soü evspysioc \6r\aiq, üsöc; vosi aÜTÖp ocmrov . . . tocutov voöp xod vorjTov. Vgl.
Metaph. XII Cap. 7. Der Aristotelische Gottesbegriff ist rein mit den Mitteln
des Aristotelischen Systems gedacht, als das Finale an sich, als das Formale
an sich, als das Aktuale an sich. M. a. W., der Aristotelische Gottesbegriff
ist die 'Hypostase’ einer trinitarischen Begriffsvereinung. Der Einwand der
Hypostasierung, der stets von Aristotelikern gegen den Platonismus erhoben
wurde, trifft vornehmlich den Aristotelischen Gottesbegriff selber. Hier liegt
einer der Gründe, die der Hochscholastik die Kontamination von Platon und
Aristoteles zu gestatten schienen: Der absolute Gott als hypostasierte Einheit
von Platons Ideen als hypostasierten Formen! Eine grundsätzliche Wendung
des Gedankens sehe ich erst im Possest des Cusanus: Erst wenn Gott nicht
mehr nur als die reine Wirklichkeit wie bei Aristoteles, sondern auch als die
reine Möglichkeit verstanden wird, spielt in das Verhältnis der natürlichen
Welt zu Gott wieder ein Platonisches Motto hinein.
1 Aristoteles führt als Erster die evspysioc als amtierende Tätigkeit des
Wirklichen ein, um nicht nur einen Gegensatz zur s^ip zu haben (der ist schon
durch xpäiäp vertreten), sondern einen Gegensatz zur Suvagi?. Erst durch
Setzung der evspysioc ist die Veränderung (gsTocßoAr]) als Grundmoment der
Wirklichkeit festgestellt: oüx ecmv cereipoc, gsTocßoTa) wots [H] (äpiaü-ai Tspccai
Phys. VI, 241b 11. Aus Aristoteles oder Aristotelischem Einfluß stammt auch
die Verwendung des Begriffes evspysioc in den Berichten über Parmenides,
Demokritos, Ps. Philolaos, welche Kranz im Wortindex zu Diels Vorsokrat.
Sp. 217 s. v. evspysioc anführt. — Von allen Momenten, die das Verhältnis
von Aristotelismus und Platonismus zueinander beleuchten, ist die Energeia
das wichtigste. Der Aristotelische Gott ist die reine Wirklichkeit der Vernunft,
also das Allgemeine-an-sich, weil ganz ohne individualisierenden Stoff. Also
genügt der Gottesbegriff nicht, um die 'Welt’ abzuleiten, denn deren Sub-
stanzen sind individuell. Aber es genügt auch nicht, daß zum Gottesbegriffe
der Stoffbegriff hinzukommt; beide zusammen ergäben nur die Zweiheit von
Opposita. Hingegen die Energien als die Mittel für die Weltentwicklung ver-
wandeln den Gegensatz in Prozeß und verleihen der Welt den Charakter des
Werdens. So sind Gott und der Stoff die Pole, zwischen denen die Energien
wirken. Nach Platon hingegen ist die Welt positiv abzuleiten aus dem Gott
 
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