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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0132
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128

Ernst Hoffmann:

endlich. Sondern das Prädikat der dbueipia eignete ganz anderen
Begriffen: dem Raume, der Materie, der Begierde, der Möglichkeit,
der Teilbarkeit. Dieses Unendliche, Infinite aber galt gerade als
etwas Ungöttliches, weil Unendliches zugleich als unbestimmt,
als grenzenlos, daher als gestaltlos, demnach letztlich als un-
wirklich und unwirksam gedacht werden muß. Noch für Plut-
arch kann ‘Unendliches’ nicht zugleich ‘vernünftig’ sein. Es
ist vielmehr für ihn immer ein Zeichen von Un-Vernunft, dem
ßaSt^etv sic, a7rst,pov zu verfallen; und das Vernünftige und das
Unendliche verhalten sich zueinander wie ein Gelände, auf
dem das Denken festen Fuß fassen kann, zu einem schlüpfrigen,
auf dem es ausgleitet1. Das ist alte attische Tradition der Semasio-
logie. Ist Gott das Formgebende wie bei Platon2, oder die Form-
wirklichkeit wie bei Aristoteles3, so eignet ihm die reine Bestimmt-
1 De def. or. 431a (Cap. 37) ttjv acraocksiav cocntep Iv xcjplco craakepö tco
Tcepi t/)<; daisipioct; koyco govov
2 Die Platonische Position ist eindeutig ausgesprochen Phileb. 23c—31 a:
Das Kennzeichen des ‘Unbegrenzten’ ist das unaufhörliche ‘Mehr oder minder’,
wie es in den Qualitäten der Sinnlichkeit auftritt; das Kennzeichen für das
‘Begrenzte’ ist die mit dem Mehr oder Minder in Verbindung tretende ‘Form’,
durch die in Welt und Seele vollkommenes Ebenmaß hergestellt wird: jiveatc,
eic, oöcriocv ex twv geroc tou nepaxoQ arceipyaogevcov gevpcov. Jedes ‘gute Le-
ben’ gehört sonach zur Gattung des ‘Begrenzten’. ‘Da die Göttin sah,
daß Übermut und Schlechtigkeit keine Grenze der Lust und Sättigung in sich
haben, richtete sie Gesetz und Ordnung ein als das, was Grenze hat. Dir er-
scheint diese Maßnahme der Göttin als eine aufreibende Quälerei, mir erscheint
sie im Gegenteil als Rettung’ 26c. Die Göttin der Harmonie vertritt in diesem
Zusammenhänge durchaus die Funktion des Göttlich-Guten. Es ist unmöglich,
daß öbreiplcc demjenigen Prinzip eigne, welches den Erscheinungen die Teil-
habe am Tespes der Ideen verleiht. Es ist charakteristisch, daß Philebos in der
begrenzenden Funktion der Gottheit eine ‘erschöpfende’ Wirkung argwöhnt
(Grundbedeutung von dbtoxvouaoa, nur Schleiermacher hat wortgetreu über-
setzt) : in der Begrenzung als Prinzip befürchtet er Verendlichung bis zur Er-
schöpfung. Es gilt zu verstehen, daß Maß und Wert nur haften können an dem
Tiepac, sv toip oögi, denn darin wurzelt die Erkenntnis. Das pluralistische
Sein des Peras ist gegeben mit dem pluralistischen Sein des Ideenbereichs.
Sind die Ideen durch waltet vom Guten, so kann ihr Peras nicht von Apeiria
durchwaltet sein.
3 Nach Aristoteles ist die teleologische Einwirkung Gottes auf das Form-
werden der Welt und der Erkenntnis gerade dadurch verbürgt, daß weder der
physikalische noch der logische Weg durch einen Regressus in infinitum zu
nichte wird. Wenn Aristoteles De coelo 275 a 13 sagt, daß ‘zwischen endlich
und unendlich keine Proportion’ sei, so ist das im Aristotelischen Sinne zu-
gunsten der physikalischen Wirklichkeit und ihrer Denkbarkeit gesagt. Die
 
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