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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0133
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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heit oder die vollkommene Gestalt und Realität. Beides ist zu ver-
stehen in einem unser noetisches Vermögen noch übersteigenden
Maße; das Infinite hingegen wäre zugleich indefinit und würde
unterhalb der Gegenstände unserer Noesis verbleiben. Gott ist
ewig; aber diese im höchsten Sinne positive Benennung seines
überzeitlichen Wesens schließt für die klassische Denkform der
Griechen das Merkmal der Grenzenlosigkeit, also Formlosigkeit
nicht ein, sondern aus. Wie das Machtvolle des Gedankens in der
Bestimmtheit seiner Gestaltung ruht, so ist auch der ewige Gott,
als höchster Gegenstand des Gedankens, ihrer nicht bar, sondern
im Gegenteil ihrer in höchster Steigerung mächtig. Er ‘hat’ nicht
Form, sondern ‘ist’ Form* 1 oder noch mehr als sie. Platon hatte von
der Gottesidee das s7cexeLvoc ty^ oixdocc;, das ‘Über die Seinsheit
hinaus’, ausgesagt2 * * * * * * 9, weil unserer Vernunft nicht mehr gegeben ist,
über t6 n£p<xq sv touc, oöat hinaus zu denken. Was aber jenseits
dieser Bestimmtheit liegt, ist nicht etwa die Unterbestimmbarkeit
des Grenzenlosen, sondern die Überbestimmbarkeit des absoluten
Prinzips aller Bestimmung. Erst als die Stoiker den göttlichen

christlichen Schriftsteller aber zitieren diesen Satz, um ihn in einem das Wert-
verhältnis von endlich und unendlich vertauschendem Sinne zu verwenden.
Vgl. die im Quellenapparat zu Cusanus D. ignor. I, 2 (ed. Hoffmann et Kli-
bansky S. 8) angeführten Stellen.
1 Jedes neptxq fx£LV ist ein xzkoq Xaßeiv, wie Isocrat. 4 (Paneg.), 5 zeigt.
2 Resp. 509b. Es ist selbstverständlich, daß dies Platonische sirexsiva
seinem Sinne nach rein durch das TCpsaßela xal SuvagEi ÜTrsps^eiv bestimmt
ist und weder mit einem räumlichen noch zeitlichen ‘Jenseits’ gleichzusetzen
ist. Aber da die Wortbedeutung von euexeiva lokal und temporal ist, so lag
es nahe, daß die Platonstelle später in kosmologischem Sinne verstanden, ja
von den Gnostikern wohl auch mit eschatologischen Anschauungen verbunden
wurde, das erste in Anlehnung an die hellenische Vorstellung vom Himmel als
dem Wohnsitz des Göttlichen (vgl. auch mrspoupaviop Phaedr. 247c), das
zweite im Anschluß an die jüdisch-christliche Vorstellung vom zeitlichen Jen-
seits. Soviel ich sehe, geht kein einziges der religionsgeschichtlichen und theo-
logischen Handbücher und Lexika auf die Bedeutung des Platonischen e-irexeivoc
tt)? oüaioct; und des Aristotelischen euexeiva tou voü für die spätere Dogmatik
des Jenseitsglaubens ein. Und doch ist auch hier die der Dogmatik immanente
Logik von jenen singulären Stellen her geschichtlich zu verstehen. Es wäre
zu untersuchen, in wieweit das ‘transcendere’ des christlichen Platonismus,
von Augustin an, zusammenhängt mit Platons -xkpac, und srobcewa: Iiinaus-
gehen über die Grenze. Für den Platonismus selbst hat den Charakter des
sTCxeiva m. E. am schärfsten erfaßt Emil Lask, wie aus dem Material zu
ersehen ist, das Herrigel in seiner Ausgabe von Lasks Gesammelten Schrif-
ten III (Tübingen 1924) S. 1—56 zusammengestellt hat.
9 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1934/35. 2. Abh.
 
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