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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0146
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Ernst Hoffmann:

Es ist im Bereiche unserer Aufgabe nicht geboten, das System
des Proklos hier im Einzelnen vorzutragen. In subtilen Gliederungen
werden alle theologischen, kosmologischen, anthropologischen Exi-
stenzformen in den Schematismus des Ganzen eingebaut, bis das
stockwerkreiche Gebäude alles Göttliche und Noetische, alles Dä-
monische und Psychische in seinen wohlverteilten Wohnungen auf-
nehmen kann. Für diese Form von Wissenschaft sind Götternamen
und Götterbilder, Wundererscheinungen und Wunderkuren nicht
weniger ergiebiges Material als Euklidische Mathematik und Par-
menideische Logik. Aber das Große ist, wie alle Erforschung dem
Einen Ziele geweiht ist: das hellenische Geistesleben so als Einheit
zu fassen, daß gültige Weisheit in ihm geborgen werden kann. Die
Philosophie, welche sich erkühnt, von Welt zu Gott die dialektische
Brücke zu schlagen und der menschlichen Gottesweisheit aller Län-
der den Weg über diese Brücke zu erschließen, bleibt sich bewußt,
hellenische Philosophie zu sein. Und mindestens in einer Hinsicht
war sie das auch in der Tat. Ich meine den Anteil, den die Dialektik
am System des Proklos behauptete. Auf Dialektik beruhte nicht
nur, was die Mystik an Wissen, sondern vor allem was sie an wissen-
schaftlichem Gewissen besaß1. Und daß das dialektische Motiv bei
Proklos nicht entlehnt, sondern ursprünglich war, zeigte sich vor
allem in derjenigen Neuerung der Systembildung, durch die Proklos
für die Geschichte des Vernunftproblems epochemachend geworden
ist: Alle Neuplatoniker hatten gelehrt, daß aus dem Ur-Einen
die ‘intelligible Welt5 hervorgehe, wobei ein Teil der Neuplatoniker
sich diesen Übergang unmittelbar dachte, ein anderer Teil zwischen
das ‘Eine’ und die ‘intelligible Welt’ ein ‘zweites Eines’ die vermit-
telnde Bolle spielen ließ2 *. Nur Proklos erkannte, daß auf Grundlage
1 Betrachtet man Platonische uttoü-egk;, Aristotelisches u-oxeUevov,
Neuplatonische mrocnraan;, so hat man drei fundamentale Motive philosophi-
scher Systembildung, welche drei grundverschiedenen Geisteshaltungen und
Denkarten angehören. Denn Philosophie der Hypothesis fragt nach dem, was
für das deduktive Erkennen grundlegend ist; Philosophie des Hypokeimenon
nach dem, was möglicher Seinsträger für ein Existieren ist; Philosophie der
Ilypostatis nach dem, was in Korrespondenz zu einer Erkenntnisstufe als deren
gegenständliches Sein behauptet wird. Unterschiede des Philosophierens schon
im ersten Ansatz! Was damals die gesamte Tradition von Platon bis Proklos
zu einer Gesamtheit machte, war der unbestrittene Anspruch der Dialektik, in
allen grundlegenden Entscheidungen der Systematik letzte Instanz zu sein.
2 IIoTspov Süo eialv cd TiporrocL dtpycd 7tpö vo7]tt)<; 7tpcI>T7]<; vpiaSoc;, r\ te toxvtt)
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Damasc. De princ. c. 43, I, 86, 3 R. Dazu Zeller III, 24 S. 739, 745, 746 Anm. 2.
 
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