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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0162
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158

Ernst Hoffmann:

In der imyck^aic, vernehmen wir die Variation des Timaios-
motivs:
Der Du das Weltall lenkst nach dauernd festem Gesetze,
Schöpfer von Himmel und Erde, der Du von Ewigkeit wandeln
Hießest die Zeit, Du nimmer bewegt, doch bewegend das Welt-
all.
Keine äußere Macht trieb Dich, aus wogender Masse
Deine Schöpfung zu formen. Nur in Dir selber trägst Du
Frei von Neid die Gestalt des höchsten Guten und leitest
Her vom Urbild das All. Nach Deinem Bilde geschaffen
Trägst Du im Geiste die schöne Welt, der Schönste Du selber.
Nach dem Anrufe folgt die apsTocZoyta auf den tsZeicx; xoagop,
der mittlere Teil, der ausführt, wie das göttlich-Gute sich in der
Welt auswirkt, wie der lebendige und in Durchseelung geeinte
Kosmos der Inbegriff aller sichtbaren Vollkommenheit ist, die
Offenbarung des Logos. In ihr das Höchste die vernünftige Seele.
Als das Bewegungsprinzip des Weltleibes, als das Metaxy zwischen
Göttlichem und Sterblichen, als das Anfang und Ende in der Re-
flexion kyklisch Einende umwandelt und durchwaltet die Welt-
seele das Universum: sie ist Weltvernunft und Weltachse in Einem.
Durch sie ist auch das Einzelne beseelt und dadurch gottverbunden,
denn Gottes Logos ist schon Gottes Liebe. Aber diese Einsicht war
in Boethius erkrankt gewesen, denn er hatte geklagt und am Guten
gezweifelt. Deshalb war die Philosophie an sein Lager getreten,
hatte ihm die Lehren des Platonismus und Stoizismus wieder in Er-
innerung gebracht und durch diese Medicina animi ihn zu sich selber
kommen lassen. Nun ist er imstande, wieder zu verstehen, in
welchem Sinne der Neuplatonismus von dem ‘redux ignis’ der
noetischen Sphäre spricht, durch den Gott die ihm zugewandten
Seelen zu sich zurückkehren läßt. Daher betet die Philosophie die
euycu:
Vater, verleih seinem Geiste, sich hoch zu Dir zu erheben.
Gib ihm zu schaun die Quelle des Guten. Gib Du ihm wieder
Licht des Geistes, daß er auf Dich nur richte die Augen.
Scheuche die irdischen Nebel, die Last der drückenden Schwere,
Leuchte Du auf in Deinem Glanz; denn Du bist die Helle,
Du der Frommen selige Ruhe. Dich schauen ist Endzweck.
Ursprung, Führer, Erhalter, Weg, Ziel Du selber, der Eine.
 
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