Paulus auf dem Areopag.
Schlußmahnung dieses theologischen Abschnitts an: du suchst die
Gnade der Götter? Dann sei gut! Wer ihnen nacheifert, hat sie
genug verehrt (satis illos coluit, quisquis imitatus est ep. 95, 50). So
kehren in Senecas Werk die Motive von Act. 17 immer wieder:
Ablehnung des Kultus und jeder Bedienung der Götter, Nähe Gottes
zum Menschen, menschliche Gottverwandtschaft.
Wir kehren zur Areopagrede zurück. Sie läßt in der Dar-
stellung der Gottverwandtschaft deutlich eine Steigerung erken-
nen. Erst hieß es — mit rhetorischer Verkleinerung — Gott ist
nicht fern von uns. Dann mit den Worten des ersten Zitats (wenn
wir von Ischodad recht berichtet werden): wir haben in ihm unsere
Existenz —- das ist der Ausdruck des Kohärenzgedankens —·, und
nun folgt das zweite, dem Aratus entnommene Zitat: ,,wir sind
seines Geschlechts“. Endlich faßt der Autor das Ergebnis zusam-
men, um dann die Folgerung zu ziehen: da wir nun seines Ge-
schlechtes sind, d. h. nach allem Vorhergehenden: seines Wesens
und mit ihm verbunden1.
Nun kehrt die Gedankenführung zu ihrem Anfang zurück.
War dort die Vorstellung abgewiesen, daß Gott in Tempeln wohne,
so hier die Darstellung der Gottheit in Bildern: Gottverwandte
dürfen so nicht denken! Die Bilder sind ja Werke von Menschen,
mit ihnen hat die Gottheit nichts zu schaffen. Es ist eine gelinde
Polemik; der zweite Jesaias hat (40, 19f. 46, 6 und namentlich
44, 9—20) bitterer und spöttischer geredet. Selbst der jüdische
Hellenismus der Sapientia Salomonis (13, 10—14, 2; 15, 7—-17)
kritisiert schärfer; aber was dort über das Material der Bilder ge-
sagt wird, klingt in der Areopagrede wieder an2 3. Der Autor will
1 Man kann sogar fragen, ob nicht dem Wort ύπάρχειν in diesem Zu-
sammenhang γένος ούν υπάρχοντες του θεού besondere Bedeutung zukommt,
ύπαρχεiv ist mehr als είναι und bezeichnet, wie mich Ernst Hoffmann be-
lehrt, bei Stoikern und Pythagoräern das substantielle Sein: Diogenes Bab.
(bei Philodem De piet. 1514) Stoic. frgm. III S. 217, 33 Arnim) τόν κόσμον
γράφει τω Διί τόν αύτόν ύπάρχειν. Es würde dann der Gedanke der Inhärenz,
für den ένυπάρχειν bezeichnend ist, anklingen: ,,da wir nun als Gottes Ge-
schlecht unser Wesen haben“. Andrerseits hat Lukas im Evangelium sicher
an 5 Stellen ύπάρχειν für einfaches „sein“ in den Text seiner Vorlage ein-
gefügt (Lk. 7, 25; 8, 41; 9, 48; 11, 13; 23, 50); man wird also doch bei der
einfachen Auskunft bleiben dürfen, daß es seinem Stil entspricht, ύπάρχοντες
statt οντες zu schreiben.
2 Sap. 13,10 οΐτινες έκάλεσαν θεούς έργα χειρών άνθρώπων, χρυσόν καί άργυρον
τέχνης έμμελέτημα καί άπεικάσματα ζώων ή λίθον άχρηστον χειρός έ'ργον αρχαίας.
Auch die Polemik bei Philo De decalogo 66—75, De spec. leg. I 21. 22 ist
3 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. phil.-hist. Kl. 193 8/39. 2. Abh.
Schlußmahnung dieses theologischen Abschnitts an: du suchst die
Gnade der Götter? Dann sei gut! Wer ihnen nacheifert, hat sie
genug verehrt (satis illos coluit, quisquis imitatus est ep. 95, 50). So
kehren in Senecas Werk die Motive von Act. 17 immer wieder:
Ablehnung des Kultus und jeder Bedienung der Götter, Nähe Gottes
zum Menschen, menschliche Gottverwandtschaft.
Wir kehren zur Areopagrede zurück. Sie läßt in der Dar-
stellung der Gottverwandtschaft deutlich eine Steigerung erken-
nen. Erst hieß es — mit rhetorischer Verkleinerung — Gott ist
nicht fern von uns. Dann mit den Worten des ersten Zitats (wenn
wir von Ischodad recht berichtet werden): wir haben in ihm unsere
Existenz —- das ist der Ausdruck des Kohärenzgedankens —·, und
nun folgt das zweite, dem Aratus entnommene Zitat: ,,wir sind
seines Geschlechts“. Endlich faßt der Autor das Ergebnis zusam-
men, um dann die Folgerung zu ziehen: da wir nun seines Ge-
schlechtes sind, d. h. nach allem Vorhergehenden: seines Wesens
und mit ihm verbunden1.
Nun kehrt die Gedankenführung zu ihrem Anfang zurück.
War dort die Vorstellung abgewiesen, daß Gott in Tempeln wohne,
so hier die Darstellung der Gottheit in Bildern: Gottverwandte
dürfen so nicht denken! Die Bilder sind ja Werke von Menschen,
mit ihnen hat die Gottheit nichts zu schaffen. Es ist eine gelinde
Polemik; der zweite Jesaias hat (40, 19f. 46, 6 und namentlich
44, 9—20) bitterer und spöttischer geredet. Selbst der jüdische
Hellenismus der Sapientia Salomonis (13, 10—14, 2; 15, 7—-17)
kritisiert schärfer; aber was dort über das Material der Bilder ge-
sagt wird, klingt in der Areopagrede wieder an2 3. Der Autor will
1 Man kann sogar fragen, ob nicht dem Wort ύπάρχειν in diesem Zu-
sammenhang γένος ούν υπάρχοντες του θεού besondere Bedeutung zukommt,
ύπαρχεiv ist mehr als είναι und bezeichnet, wie mich Ernst Hoffmann be-
lehrt, bei Stoikern und Pythagoräern das substantielle Sein: Diogenes Bab.
(bei Philodem De piet. 1514) Stoic. frgm. III S. 217, 33 Arnim) τόν κόσμον
γράφει τω Διί τόν αύτόν ύπάρχειν. Es würde dann der Gedanke der Inhärenz,
für den ένυπάρχειν bezeichnend ist, anklingen: ,,da wir nun als Gottes Ge-
schlecht unser Wesen haben“. Andrerseits hat Lukas im Evangelium sicher
an 5 Stellen ύπάρχειν für einfaches „sein“ in den Text seiner Vorlage ein-
gefügt (Lk. 7, 25; 8, 41; 9, 48; 11, 13; 23, 50); man wird also doch bei der
einfachen Auskunft bleiben dürfen, daß es seinem Stil entspricht, ύπάρχοντες
statt οντες zu schreiben.
2 Sap. 13,10 οΐτινες έκάλεσαν θεούς έργα χειρών άνθρώπων, χρυσόν καί άργυρον
τέχνης έμμελέτημα καί άπεικάσματα ζώων ή λίθον άχρηστον χειρός έ'ργον αρχαίας.
Auch die Polemik bei Philo De decalogo 66—75, De spec. leg. I 21. 22 ist
3 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. phil.-hist. Kl. 193 8/39. 2. Abh.