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J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.

unser-Auslegung, die er als „Meisterwerk der deutschen spekula-
tiven Mystik“ bezeichnet, nach Cgm. 628 (Te). Wie bei Mayr,
so haben wir auch hier ein Gemisch von Mittel- und Neuhoch-
deutsch vor uns.
Nunmehr wird diese formschöne und inhaltreiche Auslegung
des Vaterunsers in kritischem Text herausgegeben, dem die Hs.
Trier, Stadtbibliothek 813/1343 (Tr) zugrunde liegt. Sie bietet die
Predigt moselfränkisch, d. h. in dem Dialekt, den Cusanus selbst
gesprochen hat. Welche anderen Hss. herangezogen worden sind,
in welchem Verhältnis sie zueinander stehen und welche Grund-
sätze bei der Edition maßgebend waren, darüber belehren die fol-
genden Untersuchungen von H. Teske. Die auf die deutsche Aus-
legung folgenden lateinischen Notae, die ergänzende Erklärungen
zur ersten und zweiten Bitte enthalten, stehen nur in den Hss. Tr
und K und werden hier zum erstenmal veröffentlicht.
Noch ein Wort über die in der Hs. Mainz, Stadtbibliothek, 190
(M) stehende lateinische Übersetzung der Vaterunser-Erklärung1.
In seinem Vorwort bezeichnet der Verfasser es als seine Absicht,
eine doppelte Übersetzung zu geben: eine wörtliche und eine
sinngetreue. In der Hs. steht nur jene, es ist aber wohl anzuneh-
men, daß er auch den zweiten Teil seines Planes ausgeführt hat.
Unsere ursprüngliche Absicht, die wortgetreue Übersetzung ge-
sondert herauszugeben, haben wir bald fallen lassen, da sie mit
wenig Sinn und Verstand gemacht ist. Sie ersetzt aber in gewissem
Sinne eine Hs., da sich nicht nur aus den eingestreuten deutschen
Brocken, sondern auch aus manchen Eigentümlichkeiten und Feh-
lern der Übersetzung die mittelfränkische Vorlage für eine ganze
Anzahl von Stellen rekonstruieren läßt. So erscheint sie nur im
Variantenapparat. Vorrede und Nachwort veröffentlichen wir im
Anhang (S. 138 f.)
Das dritte hier veröffentlichte Stück (Nr. LXXI) ist die Vater-
unser-Predigt, die Cusanus als päpstlicher Legat Fastnacht 1451
in Wien gehalten hat. Es ist die erste Volkspredigt, die er unseres
Wissens auf dieser Reise hielt, und — bisher wenigstens — die
einzige, die wir in der Nachschrift eines Zuhörers besitzen. Sie ist
nur in der Hs. 57 des Wiener Schottenklosters (Wi) überliefert und
bisher ungedruckt.
1 Sie wurde von E. Vansteenberghe aufgefunden; vgl. Autour de la
Docte Ignorance (Beiträge zur Geschichte der Philos. des MA. XIV, H. 2—4),
Münster i. W. 1915, S. 160 Anm. 3.
 
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