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XVII. Domine, in iumine vultus tui (n. 28-—30).

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28. Es folgt: „Zu uns komme dein Reich“. Das Reich
des Vaters ist nichts anderes als die ewige Gemeinschaft. Christus
sagt nämlich an einer anderen Stelle, daß „jedes Reich, das in sich
geschieden ist, zugrunde geht“. Scheidung ist also dem Reich
entgegengesetzt. Darum gehört zum Wesen dieses Reiches die Ver-
einigung oder die Liebe, denn dort ist ruhevoller Friede. Deshalb
wird uns hier nichts anderes bedeutet als das, was wir vom Heiligen
Geist erkennen und worum wir bitten müssen. Wir sollen bitten,
daß dieses Reich ewiger Gemeinschaft, Liebe und ruhevollen Frie-
dens, in dem jegliches Verlangen unseres Herzens gestillt sein wird,
zu uns komme. Und wie der Hunger unseres Geistes nur durch
das Wort und die ewige Weisheit des Vaters gestillt werden kann,
so kann auch die Unruhe unseres Willens nur im Heiligen Geist
zur Ruhe kommen, in dem das Reich des Friedens erlangt wird,
dessen Dauer ohne Ende ist.
29. Eis jetzt haben wir von der dreifältigen Einheit unseres
Ursprunges gehandelt. Es wurde uns dabei eine Unterweisung, was
wir glauben, worum wir bitten und was wir erhoffen sollen. Denn
ohne Hoffnung auf Erreichung des Zieles würden wir vergebens
bitten, und darum werden wir in der Bitte zugleich belehrt, was
wir als gewiß erhoffen dürfen. Nun folgt die Belehrung über die
Ordnung, in der die gesamte Schöpfung zu ihrem Ursprung steht:
„Dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden“. Das
besagt nichts anderes, als daß alles, was immer geschieht, nach
seinem Willen geschehe. Hierin wird der Ausfluß aller Geschöpfe
ausgedrückt: jegliches „im Himmel und auf Erden“ ist von
Gott dem Vater im Wort, nämlich „es geschehe“, und im Heiligen
Geist, nämlich auf Grund des Willens. In der Kürze dieses Gebetes
liegt ein staunenswerter Reichtum verborgen: kein Buch, das je
über den Ausfluß der Geschöpfe geschrieben wurde oder noch
geschrieben wird, vermöchte ihn auszuschöpfen.
30. Nachdem Christus uns so über die Schöpfung erleuchtet
hat, spricht er nun von der Menschwerdung: „Unser tägliches
Brot gib uns heute“. Christus sagt: „Ich bin das lebendige
Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist“ usw. Er wollte, daß
wir um nichts anderes bitten sollten, als daß uns jenes überwesent-
liche, täglich nötige Brot heute gegeben werde: in dem Heute dieser
gegenwärtigen vergänglichen Zeit. Deshalb ist dieses Brot, um das
wir hier bitten, lebensnotwendig. Weil es nun zwei Arten von Brot
gibt, von denen das eine für diese Zeit, das andere für die Ewig-
2 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1938/39. 4. Abh.
 
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