XVIII. Pater Nofter in wlgari expositum (n. 1—4).
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den anderen, und sie begehren voneinander zu lernen. Dies ist
nun für jetzt meine Einsicht (in die Worte) des Vaterunsers, und
ich hoffe, daß sie von Tag zu Tag in mir gemehrt und vertieft
werde, wie ich das auch für euch von Gott erbitte.
2. Nun muß man wissen, daß eine Bitte dem Verlangen folgt
und der verlangende Wille der Hoffnung; denn was der Mensch
nicht hofft, danach verlangt er nicht. Die Hoffnung aber folgt
dem Glauben und der Einsicht. Niemand hofft, was er nicht
glaubt oder weiß. Darum muß das höchste Gebet das höchste Ver-
langen, Hoffen und Glauben enthalten. Und das ist es, was du
dir vornehmen sollst, im Vaterunser zu suchen.
3. So findet unsere für die Wahrheit angelegte Vernunft im
Vaterunser eine Erleuchtung, so daß sie in stetem Glauben weiß,
was die Wahrheit ist, nämlich welches der Anbeginn und Ursprung
aller Dinge, welches ihr Ausfluß aus Gott, welches das Mittel ihres
Rückflusses und welches ihr Endziel ist.
4. Der Ursprung, die göttliche Natur, ist in den Worten gege-
ben: ,,'Vater unser, du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein
Name, zu uns komme dein Reich“; der Ausfluß in den Worten:
„Dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden“; das kräftige
5—8. Vgl. Sermo 29 (V1 74 va; p —): De triplici ordine pennarum
quae ducunt: primae pennae minores sunt fidei, aliae spei, tertiae maximae
sunt caritatis. De eo <(scilicet est dicendum) quomodo impossibile est nos
moveri per apprehensionem sine fide, quomodo fides est ducens, fide pergitur,
spe continuatur, caritate adipiscitur. Duo sunt quae sollicitant: timor et desi-
derium. Sermo 32 (V1 130ob; p 69r): Sed quarto loco habemus quod com-
pleta fides sive confidentia amorem incendit, ita ut desiderium in oratione et
petitione appareat. Hic amor, qui est forma dans complementum fidei et con-
fidentiae sive spei, est qui apprehendit constringitque et immutat. Sermo 116
(V2 32va; p —); Oportet igitur quod fides praecedat; fides est enim quae
auditu capitur et excitat fidelem ad quaerendum mediante spe veritatem. Nisi
enim spes esset quod posses assequi id quod credis, non te fatigares. Vgl. zum.
letzten Gedanken Sermo 17 n. 29, S. 16, 14 f.
11. Vgl. Sermo 45, Notae de peccato (Vj 82rb; p —); intelligentia, quae
in nobis est, summo desiderio ad veritatem inclinatur tanquam ad vitam suam
et exemplar suum.
14—16. Zu den beiden ersten Punkten dieser Disposition vgl. Sermo 17 n.
29, S. 16, 12ff.
15. Vgl. Sermo 21 (Fx 38rb; p 13r—v): Fluit enim sic a forma Dei omnis
forma, ab esse divino omne esse, a bonitate divina omnis bonitas, et a veri-
tate divina omnis veritas. Et talem fluxum creationem nominamus.
20. Die von dem üblichen Wortlaut abweichende Übersetzung der dritten und
fünften Bitte war durch die nachfolgenden Erklärungen S. 50, lff. und 78, 14ff.
geboten.
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den anderen, und sie begehren voneinander zu lernen. Dies ist
nun für jetzt meine Einsicht (in die Worte) des Vaterunsers, und
ich hoffe, daß sie von Tag zu Tag in mir gemehrt und vertieft
werde, wie ich das auch für euch von Gott erbitte.
2. Nun muß man wissen, daß eine Bitte dem Verlangen folgt
und der verlangende Wille der Hoffnung; denn was der Mensch
nicht hofft, danach verlangt er nicht. Die Hoffnung aber folgt
dem Glauben und der Einsicht. Niemand hofft, was er nicht
glaubt oder weiß. Darum muß das höchste Gebet das höchste Ver-
langen, Hoffen und Glauben enthalten. Und das ist es, was du
dir vornehmen sollst, im Vaterunser zu suchen.
3. So findet unsere für die Wahrheit angelegte Vernunft im
Vaterunser eine Erleuchtung, so daß sie in stetem Glauben weiß,
was die Wahrheit ist, nämlich welches der Anbeginn und Ursprung
aller Dinge, welches ihr Ausfluß aus Gott, welches das Mittel ihres
Rückflusses und welches ihr Endziel ist.
4. Der Ursprung, die göttliche Natur, ist in den Worten gege-
ben: ,,'Vater unser, du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein
Name, zu uns komme dein Reich“; der Ausfluß in den Worten:
„Dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden“; das kräftige
5—8. Vgl. Sermo 29 (V1 74 va; p —): De triplici ordine pennarum
quae ducunt: primae pennae minores sunt fidei, aliae spei, tertiae maximae
sunt caritatis. De eo <(scilicet est dicendum) quomodo impossibile est nos
moveri per apprehensionem sine fide, quomodo fides est ducens, fide pergitur,
spe continuatur, caritate adipiscitur. Duo sunt quae sollicitant: timor et desi-
derium. Sermo 32 (V1 130ob; p 69r): Sed quarto loco habemus quod com-
pleta fides sive confidentia amorem incendit, ita ut desiderium in oratione et
petitione appareat. Hic amor, qui est forma dans complementum fidei et con-
fidentiae sive spei, est qui apprehendit constringitque et immutat. Sermo 116
(V2 32va; p —); Oportet igitur quod fides praecedat; fides est enim quae
auditu capitur et excitat fidelem ad quaerendum mediante spe veritatem. Nisi
enim spes esset quod posses assequi id quod credis, non te fatigares. Vgl. zum.
letzten Gedanken Sermo 17 n. 29, S. 16, 14 f.
11. Vgl. Sermo 45, Notae de peccato (Vj 82rb; p —); intelligentia, quae
in nobis est, summo desiderio ad veritatem inclinatur tanquam ad vitam suam
et exemplar suum.
14—16. Zu den beiden ersten Punkten dieser Disposition vgl. Sermo 17 n.
29, S. 16, 12ff.
15. Vgl. Sermo 21 (Fx 38rb; p 13r—v): Fluit enim sic a forma Dei omnis
forma, ab esse divino omne esse, a bonitate divina omnis bonitas, et a veri-
tate divina omnis veritas. Et talem fluxum creationem nominamus.
20. Die von dem üblichen Wortlaut abweichende Übersetzung der dritten und
fünften Bitte war durch die nachfolgenden Erklärungen S. 50, lff. und 78, 14ff.
geboten.