XVIII. Pater Nofter in wlgari expositum (n. 14—15).
41
Zu uns komme dein Reich
14. Ein Reich ist eine Gemeinschaft, ein Königreich eine Ge-
meinschaft in dem König, das Gottesreich die Gemeinschaft in Gott.
Das göttliche Reich ist die göttliche und oberste Gemeinschaft, die
nicht inniger sein kann. Die Gemeinschaft des Vaters mit dem
Sohn, der dem Vater völlig gleich ist, ist die oberste Gemeinschaft.
Aus Einem und dem ihm Gleichen geht die Gemeinschaft (beider)
hervor, wie aus der Ungleichheit die Scheidung. Deshalb geht aus
dem Einen und dem ihm völlig Gleichen die oberste Gemeinschaft
hervor. Da diese aber nicht inniger sein kann, muß sie Gott selbst
sein. Denn alles, was das wirklich ist, was es sein kann, ist Gott;
was Gott nicht ist, kann durch Gott anders sein, als es ist. Gott
allein aber ist alles, was er sein kann. Also ist die oberste Gemein-
schaft Gott der Heilige Geist, der aus dem Einen und dem ihm
Wesensgleichen, das heißt aus dem Vater und dem Sohn, hervor-
geht. Daraus ersiehst du, daß das Reich des Vaters die oberste
Gemeinschaft ist, der Heilige Geist.
15. Wenn daher der Mensch zur Erkenntnis Gottes in seinem
Namen erhoben wird und so gesehen hat, daß Gott allein das
begehrenswerteste und oberste Gut ist, so erkennt er, daß Gott das
Reich aller Wonne ist, die Liehe alles Liebenswerten, und daß in
diesem Reich allein heiliger, ewiger Friede und Gemeinschaft ist,
und daß außer diesem Reich alle Liebe vergänglich und mit Leid
2—5. Vgl. Sermo 103 (V2 18rb; p —): Regnum est unio plurium in
uno rege; regnum caelorum est unio plurium caelicolarum in uno rege caelo-
rum. Sermo 115 (V2 26rb; p 76r): „Omne regnum in se divisum desolabitur“
< Luc. 11, 17 ). Ratio est, quia regnum est unitas. Divisio interimit unitatem.
. . . Si igitur unitas est de essentia omnis regni, non est aliud regnum Dei
nisi absoluta unitas seu pax.
5—12. Vgl. De Doct. Ign. I c. 7—9, S. 14ff. Sermo 16, S. 18jf. Sermo 17
n. 28, oben S. 16, 1 ff. Sermo 28 [V1 77va; p46r): Spiritus Sanctus, qui est
creator, est nexus Patris et Filii sive unitatis et aequalitatis; ab unitate
aequalitas, ab unitate et aequalitate connexio. Vgl. auch weiter unten Notae
n. 50, S. 94, wo CUSANUS noch eine kleine Erläuterung angefügt hat.
10. Vgl. De Doct. Ign. I c. 4, S. 10, 12: quare maximum absolute cum
sit omne id, quod esse potest, est penitus in actu; et sicut non potest esse
maius, eadem ratione nec minus, cum sit omne id, quod esse potest. S. 11, 1:
maximum absolute est omnia absolute actu, quae esse possunt. De venatione
sapientiae c. 13, p 205v. De possest, p 175r: Deus omne id est actu, de quo
posse esse potest verificari.Secus de sole. Nam licet sol sit actu id
quod est, non tarnen id quod esse potest. Aliter enim esse potest quam actu
sit. Die ganze Schrift ist der Entwickelung dieses Goltesbegriffs gewidmet.
19—20. Vgl. Sermo 17 n. 28, oben S. 16, 7.
41
Zu uns komme dein Reich
14. Ein Reich ist eine Gemeinschaft, ein Königreich eine Ge-
meinschaft in dem König, das Gottesreich die Gemeinschaft in Gott.
Das göttliche Reich ist die göttliche und oberste Gemeinschaft, die
nicht inniger sein kann. Die Gemeinschaft des Vaters mit dem
Sohn, der dem Vater völlig gleich ist, ist die oberste Gemeinschaft.
Aus Einem und dem ihm Gleichen geht die Gemeinschaft (beider)
hervor, wie aus der Ungleichheit die Scheidung. Deshalb geht aus
dem Einen und dem ihm völlig Gleichen die oberste Gemeinschaft
hervor. Da diese aber nicht inniger sein kann, muß sie Gott selbst
sein. Denn alles, was das wirklich ist, was es sein kann, ist Gott;
was Gott nicht ist, kann durch Gott anders sein, als es ist. Gott
allein aber ist alles, was er sein kann. Also ist die oberste Gemein-
schaft Gott der Heilige Geist, der aus dem Einen und dem ihm
Wesensgleichen, das heißt aus dem Vater und dem Sohn, hervor-
geht. Daraus ersiehst du, daß das Reich des Vaters die oberste
Gemeinschaft ist, der Heilige Geist.
15. Wenn daher der Mensch zur Erkenntnis Gottes in seinem
Namen erhoben wird und so gesehen hat, daß Gott allein das
begehrenswerteste und oberste Gut ist, so erkennt er, daß Gott das
Reich aller Wonne ist, die Liehe alles Liebenswerten, und daß in
diesem Reich allein heiliger, ewiger Friede und Gemeinschaft ist,
und daß außer diesem Reich alle Liebe vergänglich und mit Leid
2—5. Vgl. Sermo 103 (V2 18rb; p —): Regnum est unio plurium in
uno rege; regnum caelorum est unio plurium caelicolarum in uno rege caelo-
rum. Sermo 115 (V2 26rb; p 76r): „Omne regnum in se divisum desolabitur“
< Luc. 11, 17 ). Ratio est, quia regnum est unitas. Divisio interimit unitatem.
. . . Si igitur unitas est de essentia omnis regni, non est aliud regnum Dei
nisi absoluta unitas seu pax.
5—12. Vgl. De Doct. Ign. I c. 7—9, S. 14ff. Sermo 16, S. 18jf. Sermo 17
n. 28, oben S. 16, 1 ff. Sermo 28 [V1 77va; p46r): Spiritus Sanctus, qui est
creator, est nexus Patris et Filii sive unitatis et aequalitatis; ab unitate
aequalitas, ab unitate et aequalitate connexio. Vgl. auch weiter unten Notae
n. 50, S. 94, wo CUSANUS noch eine kleine Erläuterung angefügt hat.
10. Vgl. De Doct. Ign. I c. 4, S. 10, 12: quare maximum absolute cum
sit omne id, quod esse potest, est penitus in actu; et sicut non potest esse
maius, eadem ratione nec minus, cum sit omne id, quod esse potest. S. 11, 1:
maximum absolute est omnia absolute actu, quae esse possunt. De venatione
sapientiae c. 13, p 205v. De possest, p 175r: Deus omne id est actu, de quo
posse esse potest verificari.Secus de sole. Nam licet sol sit actu id
quod est, non tarnen id quod esse potest. Aliter enim esse potest quam actu
sit. Die ganze Schrift ist der Entwickelung dieses Goltesbegriffs gewidmet.
19—20. Vgl. Sermo 17 n. 28, oben S. 16, 7.