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J. Koch und H. Teske Gusanus-Texte: I. Predigten, 6.

apparuit mundo, ut Messias digito Iohannis ostensus. Et hic est annus
novus, quem pro hac die vobis futurum opto in Christo. Praecedet
autem Iohannes hunc Christi adventum in ecclesiam < am Rande hinzugefügt:
cuius (vorher quam getilgt) praedicandi tempus statim instabit, ut agamus
paenitentiam ).
Der folgende Abschnitt ist ganz am inneren Rande hinzugefügt:
< Hic considera quomodo adhuc sunt forte anni xl, ut Christus mani-
festetur universis nationibus successive et patietur. Postquam 150 annis et
paucis ultra sic crevit, veniet ultima tribulatio, qua nunquam fuit maior,
scilicet crucifixionis; sed sequetur statim resurrectio et ascensio post aliquot
annos et erit finis mundi. Ista sunt verisimilia, sed non sunt nobis certa etc. >
Beginnen wir zunächst mit dem letzten Zusatz am Rand. Er
ist eine Korrektur an der eigenen Prophetie. Uebinger1 hatte
irrigerweise xi statt xl gelesen; die Zahl ist aber gar nicht zu ver-
kennen. Was ergibt sich nun aus der Zahl xl ? Als Cusanus die
Predigt erstmalig niederschrieb, hatte er die apparitio Christi für
die Zeit um 1450 erwartet2; seine Voraussage traf aber nicht ein.
Da allen seinen Berechnungen die Voraussetzung zugrunde lag: ein
Jahr Christi = 50 gewöhnliche Jahre, so konnte der nächste Zeit-
punkt für das Wiedererscheinen Christi nur 1500 sein; es ergibt
sich also die Folgerung, daß die Zusätze am Rande von Cusanus
um 1460 geschrieben sind3.
Nun zu dem eigentlichen Text. Er besagt zunächst, daß wir
in Christus, d. h. als Glieder in seinem Leibe, der Kirche, 28 Jahre
1 Eine Predigt des Nicolaus von Cues. Sermo habitus a. 1440 in die
circumcisionis Augustae. Aus der Originalhandschrift des deutschen Cardinais
im Hospital zu Cues mitgeteilt von Dr. Joh. Uebinger, Pastoralblatt für die
Diöcese Ermland 18 (1886), 94.
2 Vgl. Anm. 4: ,,et nunc incipiet apparere ut potestatem habens pro-
ximo ex isto“ etc.
3 Das ist in mehrfacher Hinsicht sehr wichtig. Erstens ergibt sich, daß
auch die übrigen Zusätze, die sich vor allem am Rand von lOr und v, 14r
und v finden, um 1460 geschrieben sind; der Kardinal hat also um diese Zeit
die Predigt überarbeitet. Zweitens wird deutlich, daß auch die Notiz über
Meister Eckhart, die sich auf f. 15v findet (vgl. SB. 1937/38, 2. Abh., S. 7f.,
39f.), auch dieser Zeit angehört. Ich konnte das damals noch nicht bestim-
men, weil ich die Randbemerkungen noch nicht untersucht hatte. Hier erhebt
sich ein neues Problem: was Cusanus da als dictum Eckharts mitteilt, findet
sich nicht in den bisher bekannten lateinischen Schriften des Meisters. Wo
hat der Kardinal andere Werke zu Gesicht bekommen? Drittens gibt das
Nebeneinander von Schriftzügen des Cusanus aus den Jahren 1440 und 1460
die Möglichkeit zu genauen Vergleichen. Vielleicht gelingt es z. B. auf Grund
dieses Materials, festzustellen, aus welcher Zeit die Randbemerkungen in seiner
Eckhart-Iiandschrift stammen.
 
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