Metadaten

Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0201
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zweites Kapitel: Literarhistorische Untersuchung. §3.

201

trag des Cusanus vermittelt. Es ergibt sich zunächst eindeutig,
daß er deutsch gepredigt hat1. Wie sollte man sich sonst die
Niederschrift in deutscher Sprache erklären? Der Augsburger
Bischof hat ihn darum gebeten. Hätte sein Gast lateinisch gespro-
chen, so wäre es selbstverständlich gewesen, ihn um den lateini-
schen Text seiner Predigt zu bitten. Cusanus sagt aber später,
daß er diese Auslegung nicht in lateinischer Sprache besitze2, sie
ist also keine Übersetzung! Die Bitte des Bischofs ist aber
ohne weiteres verständlich, wenn Nicolaus das Vaterunser deutsch
erklärt hat: denn da dieser zu zeigen suchte, daß das Ganze der
christlichen Heilswahrheiten im Vaterunser beschlossen ist, so war
dem Augsburger Oberhirten die Niederschrift als Hilfsmittel für
den religiösen Unterricht der Gläubigen sehr willkommen.
Um nun Wiederholungen zu vermeiden, gehen wir zuerst auf
die Wiener Vaterunser-Predigt ein, ehe wir einige Einzel-
heiten der cusanischen Predigtweise besprechen. In welchem Ver-
hältnis steht sie zu der Augsburger Auslegung? In kluger Vor-
aussicht, wie viel Arbeiten seiner auf der Beise durch Deutschland
harrten und wie wenig Zeit ihm für sich selbst übrig blieb, nahm
der Legat seine beiden ersten Entwurfbücher, die rund 70 Predigten
enthielten, und das dritte mit, in dem anscheinend erst zwei Skizzen
von Koblenzer Predigten standen. In dieses dritte Buch trug er
nun die meisten seiner Entwürfe für die Legationspredigten ein,
einige wenige auch in das erste. Nun findet sich unter diesen Ent-
würfen keiner für die Wiener Predigt; die erste hierher gehörige
Skizze ist eine Vorbereitung auf eine am 21. März 1451 in München
gehaltene Predigt. Bei der Sorgfalt, mit welcher der Kardinal seine
Entwürfe sammelte und später kopieren ließ — mochten die Skizzen
auch noch so kurz sein — ist nicht anzunehmen, daß gerade die
erste Predigt im lateinischen Entwurf verlorengegangen ist. Viel
näher liegt die Annahme, daß er sie gar nicht eigens entworfen,
sondern die Augsburger Predigt erneut benutzt hat. Gerade der
Aufenthalt in Wien war mit vielerlei Arbeiten reformatorischer
und anderer Art angefüllt, so daß es wohl begreiflich ist, wenn
er hier zu seinem 'alten Heft’ griff.
Eine sorgfältige Durchsicht der Wiener Predigt bestätigt m. E.
diese Annahme. Überall begegnen wir Gedanken, die in der Augs-
burger Vaterunser-Auslegung breit ausgeführt sind. Freilich hat
1 Vgl. dazu auch S. 14, 1—2.
2 Vgl. S. 187.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften