Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Drittes Kapitel: Erläuterungen. §3.

225

rung der Sünde zur Gemeinschaft, d. h. zum Hl. Geist. Vollzieht
der Mensch diese innere Wendung, dann vermag er die ersten drei
Artikel des Vaterunsers von Herzen zu beten; denn sie haben jetzt
für ihn einen Sinn.
Auch die beiden letzten Abschnitte des Ganzen (n. 45 f.) ziehen
das Fazit aus dem Vorhergehenden, wie der Wortlaut von n. 45
ohne weiteres erkennen läßt. Wir sind jetzt aber auf einer ganz
andern Stufe des religiösen Lebens. Cusanus setzt hier, wie in
seiner ganzen Auslegung voraus, daß der Leser oder Hörer inner-
lich und in seinem praktischen Verhalten mitgegangen ist. Wenn
er nun nach den Anweisungen des Vaterunsers dazu gekommen
ist, daß er in der Liebe Gottes feststeht, dann ist er kein Anfänger
mehr, der erst einen Aufstieg zu Gott suchen muß, sondern er ist
dem Ziel nah: Gott allein ist der Gegenstand seines Verlangens.
Indem er um die Erlösung von dem Übel betet, bittet er um nichts
anderes als um Gott selbst. Man beachte dabei, daß Cusanus von
den drei Gedanken, die in n. 18 den Antrieb zum Aufstieg zu Gott
gehen, hier nur den letzten erneut aufgreift. Die Wendung von
der Vielheit zur Einheit und von der Ungleichheit zur Gleichheit
spielt hier keine Rolle mehr, weil der Mensch ja bereits in der
Liebe Gottes steht. Umso eindringlicher stellt Cusanus aber am
Schluß die Sonderung, welche die Sünde bewirkt und schließlich
zur „Scheidung und Zwietracht“ der Hölle führt, der Gemein-
schaft des Himmelreiches gegenüber, die ,,in Eintracht, Friede,
Liebe, Weisheit, allem Guten und strahlender Helle“ besteht. Man
begreift, daß der Prediger damit seine Aufgabe als erfüllt betrachtet
und zum Schluß eilt.
§ 3. Das Prinzip der Verknüpfung in der Auslegung.
Man weiß, welche Bedeutung die augustinische Trias unitas,
aequalitas und connexio für das Denken des Cusanus gehabt hat;
die drei Begriffe sind für ihn vor allem Symbole der drei göttlichen
Personen, wie wir oben1 bereits sahen. Vielleicht darf man nun
auch sagen, daß sie seine Arbeit an der Vaterunser-Auslegung be-
einflußt haben. Die unitas erweist sich in der einheitlichen Kon-
zeption und Gestaltung des Ganzen, die aequalitas in der Gleich-
heit und harmonischen Anordnung der Glieder. Nunmehr müssen
wir noch kurz auf die kunstvolle Verknüpfung der Glieder unter-
1 Vgl. S. 218.
15 Sitzungsberichte d. Heidelb. Alcad., phil.-hist. Kl. 1938/39. 4. Abh.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften