226 J. Koch und H. Teske Gusanus-Texte: I. Predigten, 6.
einander hinweisen. Sie erfolgt, wie mir scheint, nach dem be-
kannten Satz des Dionysius Areopagita1, daß die göttliche Weis-
heit „allezeit die Enden der höheren Ordnung mit den Anfängen
der tieferen verknüpft und eine Eintracht und Harmonie des
Ganzen auf schöne Weise herstellt“. Hier handelt es sich um die
Hierarchie der Geschöpfe, die so gestaltet ist, daß —- wie Cusanus
selbst sagt — ,,talis est inferioris et superioris connexio, ut in medio
coincidant, ac inter species diversas talis combinationis ordo existit,
ut suprema species generis unius coincidat cum infima immediate
superioris, ut sit unum continuum perfectum Universum“ (De
Docta Ign. III c. 1, S. 120, 25ff.)2. Die Verknüpfung erfolgt also
immer durch das letzte Glied.
Nach diesem Prinzip hat Cusanus offensichtlich bei seiner
Auslegung gearbeitet, wie sich leicht an einigen Beispielen zeigen
läßt. Als erstes nehmen wir die Verknüpfung der beiden ersten
Artikel. Der erste enthält nach Nicolaus’ Deutung drei Gedan-
ken: 1. die Vielheit der Geschöpfe hat ihren Ursprung in dem
einen Gott Vater; 2. er ist das Sein aller Dinge, und darum 3. in
allen Dingen ungeteilt und unvermischt. In n. 10 fügt er nun als
Viertes hinzu: „aber begrifflich vnd mercklich fo ift er in den
hymelen der verftentelichen naturen“ (S. 34, 8). D. h. also, von
den vernünftigen Naturen kann er allein erfaßt werden. Sie haben
den Vorzug vor allen anderen Geschöpfen, daß sie Gott erkennen
können, während bereits das irdische Reich der Sinnlichkeit fern
von der Gotteserkenntnis ist. Damit ist nun nicht etwa nur ein
geschickter Übergang zum folgenden Artikel gegeben, der von der
Bedeutung des Namens für die Erkenntnis ausgeht, sondern im-
plizite ist die Frage gestellt: wie vermögen die vernünftigen Na-
turen Gott in Wahrheit zu erkennen? Und diese Frage beant-
wortet der nächste Artikel (vgl. n. 11 ff.).
Zweites Beispiel: Die Verknüpfung des ersten Ternars mit
seinem vierten Glied. Es ist auffällig, wie sehr Cusanus zu Be-
ginn von n. 19 (S. 46, 17ff.) die Bedeutung des Willens Gottes
für die Schöpfung betont, obwohl diese das Werk aller drei gött-
lichen Personen ist, wie er in demselben Abschnitt darlegt. Er
beginnt aber mit dem Willen, weil er diesen in besonderer Weise
dem Hl. Geist zuschreibt. Denn damit hat er zugleich die Ver-
1 Ygl. De div. nom. c. 7 § 3, PG 3, 872. Obiges Zitat nach der Über-
setzung von I. Stiglmayr in: Bibliothek der Kirchenväter II, 2, 1933, S. 120.
2 Auch c. 12, S. 157, 22f. spielt Cusanus auf den dionysischen Satz an.
einander hinweisen. Sie erfolgt, wie mir scheint, nach dem be-
kannten Satz des Dionysius Areopagita1, daß die göttliche Weis-
heit „allezeit die Enden der höheren Ordnung mit den Anfängen
der tieferen verknüpft und eine Eintracht und Harmonie des
Ganzen auf schöne Weise herstellt“. Hier handelt es sich um die
Hierarchie der Geschöpfe, die so gestaltet ist, daß —- wie Cusanus
selbst sagt — ,,talis est inferioris et superioris connexio, ut in medio
coincidant, ac inter species diversas talis combinationis ordo existit,
ut suprema species generis unius coincidat cum infima immediate
superioris, ut sit unum continuum perfectum Universum“ (De
Docta Ign. III c. 1, S. 120, 25ff.)2. Die Verknüpfung erfolgt also
immer durch das letzte Glied.
Nach diesem Prinzip hat Cusanus offensichtlich bei seiner
Auslegung gearbeitet, wie sich leicht an einigen Beispielen zeigen
läßt. Als erstes nehmen wir die Verknüpfung der beiden ersten
Artikel. Der erste enthält nach Nicolaus’ Deutung drei Gedan-
ken: 1. die Vielheit der Geschöpfe hat ihren Ursprung in dem
einen Gott Vater; 2. er ist das Sein aller Dinge, und darum 3. in
allen Dingen ungeteilt und unvermischt. In n. 10 fügt er nun als
Viertes hinzu: „aber begrifflich vnd mercklich fo ift er in den
hymelen der verftentelichen naturen“ (S. 34, 8). D. h. also, von
den vernünftigen Naturen kann er allein erfaßt werden. Sie haben
den Vorzug vor allen anderen Geschöpfen, daß sie Gott erkennen
können, während bereits das irdische Reich der Sinnlichkeit fern
von der Gotteserkenntnis ist. Damit ist nun nicht etwa nur ein
geschickter Übergang zum folgenden Artikel gegeben, der von der
Bedeutung des Namens für die Erkenntnis ausgeht, sondern im-
plizite ist die Frage gestellt: wie vermögen die vernünftigen Na-
turen Gott in Wahrheit zu erkennen? Und diese Frage beant-
wortet der nächste Artikel (vgl. n. 11 ff.).
Zweites Beispiel: Die Verknüpfung des ersten Ternars mit
seinem vierten Glied. Es ist auffällig, wie sehr Cusanus zu Be-
ginn von n. 19 (S. 46, 17ff.) die Bedeutung des Willens Gottes
für die Schöpfung betont, obwohl diese das Werk aller drei gött-
lichen Personen ist, wie er in demselben Abschnitt darlegt. Er
beginnt aber mit dem Willen, weil er diesen in besonderer Weise
dem Hl. Geist zuschreibt. Denn damit hat er zugleich die Ver-
1 Ygl. De div. nom. c. 7 § 3, PG 3, 872. Obiges Zitat nach der Über-
setzung von I. Stiglmayr in: Bibliothek der Kirchenväter II, 2, 1933, S. 120.
2 Auch c. 12, S. 157, 22f. spielt Cusanus auf den dionysischen Satz an.