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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0246
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246 J. Koch und H. Teske Gusanus-Texte: I. Predigten, 6.
Ebenso auffällig wie die Deutung des Reiches auf den Hl. Geist
ist die der Schuld, um deren Vergebung wir bitten, auf die Sünde
der Natur oder die Erbsünde1. Dieselbe Deutung findet sich aber
in der 5. Rede Gregors, und zwar als tiefere gegenüber der
gewöhnlichen Deutung auf die persönlichen Sünden. Ausdrücklich
sagt er, das Wort Gottes ermahne uns, bei dieser Ritte nicht
auf unsere guten Werke zu schauen, sondern der gemeinsamen
Schuld der menschlichen Natur zu gedenken, an der jeder teil-
nimmt, der auch an dieser Natur teilhat, und um deren Vergebung
zu bitten.
Die letzte Stelle, die eine Reziehung zur Theologie Gregors
von Nyssa aufweist, ist die Erklärung der Rrotbitte. Ihre Reson-
derheit liegt in dem Gedanken, daß Christus das Lebensbrot für
die beiden im Menschen miteinander verbundenen Naturen ist.
Mag man nun an die himmlische oder die irdische Natur denken,
der eigentliche Sinn des Lebensbrotes ist die Abwehr von Tod und
Gebrechlichkeit (54, 18) und die Erlangung ewigen Lebens (56, 11).
Ganz verwandte Gedanken finden sich in Gregors Großer Kate-
chese, Kap. 37, das von der eucharistischen Nahrung handelt2.
Auch er geht davon aus, daß der Mensch ein Doppelwesen ist,
und daß er darum nach beiden Restandteilen mit dem Urheber des
Lebens verbunden sein muß. Die Seele wird mit ihm durch den
Glauben verbunden, und in dieser Vereinigung mit dem Leben
liegt auch die Teilnahme an dem Leben. Das entspricht genau
dem, was Cusanus 58, lff. ausführt. Der Leib, so fährt Gregor
fort, bedarf aber der Verbindung mit jenem Leib, der den Tod
überwunden und uns das Leben gebracht hat. Denn der unsterb-
liche Leib bewirkt in jedem Empfänger eine völlige Umgestaltung
nach seiner eigenen Natur. Man sieht also deutlich, daß die Er-
langung der Unsterblichkeit — im Sinn der Teilnahme am ver-
klärten Leben Christi — die eigentliche Lrucht der Eucharistie ist.
Neben der Ideenverwandtschaft ist auch hier die Verschiedenheit
im einzelnen nicht zu übersehen.
Handelt es sich nun bei diesen drei sehr charakteristischen
Übereinstimmungen nur um Ideengemeinschaft, oder auch um
Abhängigkeit des Cusanus von dem Kappadozier? Ich vermag
die Lrage einstweilen nicht zu entscheiden. Da Cusanus nicht

1 a.a.O. or. 5, 1181.
2 Oratio Catechetica Magna c. 37, PG 45, 93.
 
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