Drittes Kapitel: Erläuterungen. § 6.
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genug Griechisch verstand, um die Werke jenes Theologen zu lesen,
wäre zu untersuchen, wann sie ins Lateinische übersetzt wurden.
Dabei ist auch die Möglichkeit zu beachten, daß jene Werke aus-
zugsweise in andern Werken, z. B. Katenen, den Lateinern durch
Übersetzung zugänglich wurden. Endlich darf man nicht vergessen,
daß Cusanus bei den Verhandlungen mit den Griechen in Ferrara
1438 mancherlei von ihren Sonderlehren kennen lernte; denn
über sie wurde ja verhandelt. Jedenfalls ist die Möglichkeit
nicht von der Hand zu weisen, daß er von Gregor von Nyssa
direkt oder indirekt beeinflußt wurde.
§ 6. Die Terminologie der Vaterunser-Auslegung.
Die Mahnung und Warnung, die man zu Beginn von ,,De
Docta Ignorantia“ findet: „Oportet autem attingere sensum volen-
tem potius supra verborum vim intellectum efferre quam proprie-
tatibus vocabulorum insistere, quae tantis intellectualibus mysteriis
proprie adaptari non possunt“ (I c. 2, S. 8, 9—11), ist sehr geeignet
von der Untersuchung der cusanischen Terminologie, d. h. der
proprietates vocabulorum, abzuschrecken. Wenn hier trotzdem der
Versuch gemacht wird, die Augsburger Vaterunser-Auslegung ter-
minologisch zu untersuchen, so vor allem deshalb, weil es das ein-
zige Werk des Cusanus in deutscher Sprache ist. Eine doppelte
Frage liegt nahe: 1. In welchem Verhältnis steht seine deutsche
Terminologie zu der seiner lateinischen Schriften ? 2. Welchen
Platz nimmt sie in der Entwickelung der deutschen philosophisch-
theologischen Terminologie ein? Die erste Frage läßt sich ver-
hältnismäßig leicht beantworten, da die lateinischen Schriften eine
Fülle von Parallelen zu dem deutschen Werk bieten. In erster
Linie kommen hier natürlich die beiden lateinischen Auslegungen
in Betracht, vornehmlich die erste, da sie den Entwurf zu unserm
Werk darstellt. In zweiter Linie „De Docta Ignorantia“, da die
Auslegung diesem Hauptwerk zeitlich und inhaltlich besonders
nahe steht. In dritter Linie die lateinischen Predigten, in denen
viele Gedanken der Auslegung, wenn auch in anderm Zusammen-
hang, wiederkehren. Im zweiten Apparat zu unserm Text sind
solche Parallelen angeführt und, soweit es nötig schien, im Wort-
laut mitgeteilt.
Die zweite Frage ist m. E. bei dem heutigen Stand der For-
schung noch kaum zu beantworten. Wir haben ja noch keine
Geschichte der deutschen philosophisch-theologischen Termino-
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genug Griechisch verstand, um die Werke jenes Theologen zu lesen,
wäre zu untersuchen, wann sie ins Lateinische übersetzt wurden.
Dabei ist auch die Möglichkeit zu beachten, daß jene Werke aus-
zugsweise in andern Werken, z. B. Katenen, den Lateinern durch
Übersetzung zugänglich wurden. Endlich darf man nicht vergessen,
daß Cusanus bei den Verhandlungen mit den Griechen in Ferrara
1438 mancherlei von ihren Sonderlehren kennen lernte; denn
über sie wurde ja verhandelt. Jedenfalls ist die Möglichkeit
nicht von der Hand zu weisen, daß er von Gregor von Nyssa
direkt oder indirekt beeinflußt wurde.
§ 6. Die Terminologie der Vaterunser-Auslegung.
Die Mahnung und Warnung, die man zu Beginn von ,,De
Docta Ignorantia“ findet: „Oportet autem attingere sensum volen-
tem potius supra verborum vim intellectum efferre quam proprie-
tatibus vocabulorum insistere, quae tantis intellectualibus mysteriis
proprie adaptari non possunt“ (I c. 2, S. 8, 9—11), ist sehr geeignet
von der Untersuchung der cusanischen Terminologie, d. h. der
proprietates vocabulorum, abzuschrecken. Wenn hier trotzdem der
Versuch gemacht wird, die Augsburger Vaterunser-Auslegung ter-
minologisch zu untersuchen, so vor allem deshalb, weil es das ein-
zige Werk des Cusanus in deutscher Sprache ist. Eine doppelte
Frage liegt nahe: 1. In welchem Verhältnis steht seine deutsche
Terminologie zu der seiner lateinischen Schriften ? 2. Welchen
Platz nimmt sie in der Entwickelung der deutschen philosophisch-
theologischen Terminologie ein? Die erste Frage läßt sich ver-
hältnismäßig leicht beantworten, da die lateinischen Schriften eine
Fülle von Parallelen zu dem deutschen Werk bieten. In erster
Linie kommen hier natürlich die beiden lateinischen Auslegungen
in Betracht, vornehmlich die erste, da sie den Entwurf zu unserm
Werk darstellt. In zweiter Linie „De Docta Ignorantia“, da die
Auslegung diesem Hauptwerk zeitlich und inhaltlich besonders
nahe steht. In dritter Linie die lateinischen Predigten, in denen
viele Gedanken der Auslegung, wenn auch in anderm Zusammen-
hang, wiederkehren. Im zweiten Apparat zu unserm Text sind
solche Parallelen angeführt und, soweit es nötig schien, im Wort-
laut mitgeteilt.
Die zweite Frage ist m. E. bei dem heutigen Stand der For-
schung noch kaum zu beantworten. Wir haben ja noch keine
Geschichte der deutschen philosophisch-theologischen Termino-