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J. Koch und H. Teske Gusanus-Texte: I. Predigten, 6.
Wir wollen den Einfluß dieses Dualismus auf die Termino-
logie zuerst an dem Begriff nature zeigen, der deshalb besonders
geeignet ist, weil Cusanus ihn für sämtliche Bereiche des Seins
verwendet1. Hier können wir also sozusagen die Probe aufs Exem-
pel machen.
Der genaue Sinn von nature wird nirgendwo angegeben, son-
dern als bekannt vorausgesetzt. Cusanus übernimmt das Wort
aus dem Sprachschatz der Scholastik. Es bedeutet soviel wie
Wesen, insofern es Wirkprinzip ist2. EinigeBeispiele mögen das zeigen.
26, 17 wird als Ursprung der Dinge die gotlike nature bezeichnet.
Dazu vergleiche man 14, 4f.: Patris unici, qui est, naturam fecun-
dissimam; 46, 17ff. wird die Schöpfung als Willensakt Gottes
dargestellt. 36, 5 heißt es vom „Namen“ des Vaters, daß er ist
eyn oberfte wort glich der verjtentelicher naturen des vaters. Vorher
ist gesagt, daß das begriffliche Wort aujj der macht des verjten-
tenijs fließt. Hier soll also auch das aktive Moment in der Hervor-
bringung des göttlichen Wortes oder Namens betont worden. End-
lich lesen wir 50, 15: Want in der verjtentelicher naturen finden wir
eyn geijtlich wejen, verjtenteni/j vnd willen. Die Natur der vernünf-
tigen Wesen umfaßt also nicht nur deren geistige Substanz, son-
dern auch die beiden Kräfte, in denen sie wirksam wird. — 134, 7
heißt es vom Willen Gottes, er soll in uns sein tanquam movens
natura quae ab intra movet. Hier sieht man besonders deutlich,
daß mit dem Begriff Natur der des Wirkens verbunden ist.
Der Terminus nature wird nun, wie gesagt, auf alle Bereiche
des Seins angewandt. Die naturen werden voneinander durch Ad-
jektive unterschieden, welche die einzelnen Bereiche kennzeichnen,
zu denen sie gehören. Zum Teil werden zwei oder drei miteinander
verbunden, um den Abstand der naturen voneinander möglichst
deutlich zu machen.
Die erste Unterscheidung nimmt die Träger der Naturen
zum Ausgangspunkt: gotlike n. (26, 17); engelijche n. (50, 4);
menjchlich n. (50, 3; 52, 10; 56, 7 usw.), oft als vnjer n. bezeichnet
(z. B. 56, 10. 12; 58, 5; 62, 2; 74, 8. 11 usw.). Für die Wesen
unter dem Menschen werden die Konkreta gebraucht: diere (32,
11. 13; 44, 14. 15); vijch und voegel (44, 18); bäume (32, 10. 13;
44, 14. 15); jternen (44, 13. 15. 17); jteyn (50, 11); elementen
(32, 11; 50, 10).
1 Vgl. § 5, S. 241 f. 2 Vgl. DI II c. 10, S. 97, 28: „natura est quasi
complicatio omnium, quae per motum fiunt“.
J. Koch und H. Teske Gusanus-Texte: I. Predigten, 6.
Wir wollen den Einfluß dieses Dualismus auf die Termino-
logie zuerst an dem Begriff nature zeigen, der deshalb besonders
geeignet ist, weil Cusanus ihn für sämtliche Bereiche des Seins
verwendet1. Hier können wir also sozusagen die Probe aufs Exem-
pel machen.
Der genaue Sinn von nature wird nirgendwo angegeben, son-
dern als bekannt vorausgesetzt. Cusanus übernimmt das Wort
aus dem Sprachschatz der Scholastik. Es bedeutet soviel wie
Wesen, insofern es Wirkprinzip ist2. EinigeBeispiele mögen das zeigen.
26, 17 wird als Ursprung der Dinge die gotlike nature bezeichnet.
Dazu vergleiche man 14, 4f.: Patris unici, qui est, naturam fecun-
dissimam; 46, 17ff. wird die Schöpfung als Willensakt Gottes
dargestellt. 36, 5 heißt es vom „Namen“ des Vaters, daß er ist
eyn oberfte wort glich der verjtentelicher naturen des vaters. Vorher
ist gesagt, daß das begriffliche Wort aujj der macht des verjten-
tenijs fließt. Hier soll also auch das aktive Moment in der Hervor-
bringung des göttlichen Wortes oder Namens betont worden. End-
lich lesen wir 50, 15: Want in der verjtentelicher naturen finden wir
eyn geijtlich wejen, verjtenteni/j vnd willen. Die Natur der vernünf-
tigen Wesen umfaßt also nicht nur deren geistige Substanz, son-
dern auch die beiden Kräfte, in denen sie wirksam wird. — 134, 7
heißt es vom Willen Gottes, er soll in uns sein tanquam movens
natura quae ab intra movet. Hier sieht man besonders deutlich,
daß mit dem Begriff Natur der des Wirkens verbunden ist.
Der Terminus nature wird nun, wie gesagt, auf alle Bereiche
des Seins angewandt. Die naturen werden voneinander durch Ad-
jektive unterschieden, welche die einzelnen Bereiche kennzeichnen,
zu denen sie gehören. Zum Teil werden zwei oder drei miteinander
verbunden, um den Abstand der naturen voneinander möglichst
deutlich zu machen.
Die erste Unterscheidung nimmt die Träger der Naturen
zum Ausgangspunkt: gotlike n. (26, 17); engelijche n. (50, 4);
menjchlich n. (50, 3; 52, 10; 56, 7 usw.), oft als vnjer n. bezeichnet
(z. B. 56, 10. 12; 58, 5; 62, 2; 74, 8. 11 usw.). Für die Wesen
unter dem Menschen werden die Konkreta gebraucht: diere (32,
11. 13; 44, 14. 15); vijch und voegel (44, 18); bäume (32, 10. 13;
44, 14. 15); jternen (44, 13. 15. 17); jteyn (50, 11); elementen
(32, 11; 50, 10).
1 Vgl. § 5, S. 241 f. 2 Vgl. DI II c. 10, S. 97, 28: „natura est quasi
complicatio omnium, quae per motum fiunt“.