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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0257
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Drittes Kapitel: Erläuterungen. §6.

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wird, und zwar als Bereich der gottfernen Kräfte. Hier darf der
Einfluß der Erbsündenlehre auf die Schilderung des Cusanus nicht
übersehen werden. Wenn er schon in der Einleitung von der
kranckher fynlicheit spricht (24, 14), wenn er unser irdisches Leben
als boeje und kranck bezeichnet (86, 7. 18), wenn er endlich so oft
auf die uns anhaftenden gebre/ten (38, 14; 42, 6 usw. = defectus
58, 9*; DI 138, 4) oder auf unsere gebrechlicheit (54, 19) hinweist,
so liegt das an seiner Überzeugung, daß wir von vns felbs — d. h.
aus eigener Schuld (vgl. 74, 8ff.) — krancker naturen jyn (54, 4).
Dieses spezifisch christliche Element der Terminologie darf natür-
lich neben ihrem platonischen Grundcharakter nicht übersehen
werden.

II. Die Adjektive in der Terminologie.
Es mag merkwürdig erscheinen, daß wir die Adjektive behan-
deln, nachdem wir erst ein paar Begriffsworte erörtert haben. Doch
dürfte gerade die Analyse des Gebrauchs von nature die Bedeu-
tung der Adjektive erwiesen haben. Denn dieser eine Terminus
kann nur dadurch auf alle Bereiche des Wirklichen angewandt
werden, daß er durch Adjektiva näher bestimmt wird. Nun ver-
wendet Cusanus eine ganze Reihe von Begriffsworten für mehrere
Seinsbereiche, z. B. Leben, Gut, Reich usw. Sie erlauben eine
solche Anwendung nur, wenn ihnen Adjektiva hinzugefügt werden,
die kenntlich machen, für welchen Bereich das betreffende Begriffs-
wort gelten soll. Bei der großen Verschiedenheit der Bereiche
innerhalb der Gesamtwirklichkeit ergibt sich an und für sich eine
große Auswahl von Adjektiven zur nähern Bestimmung von viel-
deutigen Begriffsworten. Der Dualismus, welcher der Termino-
logie der Vaterunser-Auslegung zugrunde liegt, wirkt hier aber
stark vereinfachend: die Adjektiva fallen in zwei Gruppen aus-
einander, von denen die eine für den himmlischen, die andere für
den irdischen Bereich gilt. Wie die beiden Welten sich ausschließen,
so auch die für sie geltenden Adjektiva. Gleich auf der ersten
Seite finden sich charakteristische Beispiele: hier steht eyn vnuer-
gentlich jpijje gegenüber Worten vnd jynlichen Zeichen; jichtliche
werbt gegenüber der verborgen wijjheit gotes; das oberjte verjtente-
liche leben gegenüber kranckher jynlicheit.
Nun fragt es sich, woher die Adjektiva genommen sind. Hier
gibt uns das Schema S. 254 eine fast vollständige Antwort. Sie sind
entweder abgeleitet von den Bezeichnungen der beiden Bereiche
17 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1938/39. 4. Abh.
 
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