Drittes Kapitel: Erläuterungen. §6.
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selbe. Ewicheit ist Gott zu eigen (54, 7); ondoetlicheit ist eine
Eigenschaft der verftentelichen naturen (42, 10; 52, l)1. Wie kann
Cusanus dann aber sagen, die vernünftige Natur hätte eine Nei-
gung zur Ewigkeit und Unsterblichkeit (50, 17; 52, 12) ? Neigung
zu etwas ist doch nicht dasselbe wie der Besitz der betreffenden
Eigenschaft. Was Cusanus meint, wird aber aus zwei Stellen
klar: 42, 10 sagt er, das wir an vns haben eyn ondoetlicheit zu welcher
gotes rieh komen mach. D. h. die in unserer Natur gegebene Un-
sterblichkeit ist sozusagen der Anknüpfungspunkt dafür, daß
Gottes Reich, das ewig ist (42, 7), uns zuteil wird. 54, 6f. heißt es:
vnfer erdijehe nature mach die hymeljche gefetz, durch welch /ij der
gotlicher ewicheit deilhaftich wirt, nijt entphaen aen gotliche gnade.
Hier handelt es sich offenbar nicht um die Unsterblichkeit im
natürlichen Sinn des Wortes, sondern um deren Vollbesitz, der nur
in der Gemeinschaft mit Gott (vgl. 86, 21), und darum auch nur
mit seiner Gnade zu erreichen ist.
Der Gebrauch des Adjektivs vndoitlich bestätigt diese Auffas-
sung. Vndoitlich ist das Leben, welches das hymeljche broet in
sich hat und uns zu verleihen vermag (54, 22; 56, 11). Der Gegen-
satz ist an beiden Stellen die Gebrechlichkeit des irdischen Lebens,
welches die Gefahr des Todes schlechthin, d. h. der ewigen Tren-
nung von Gott, einschließt. Wenn 60, 4 von dem ewigen ondoit-
lichen bejes ader begriff des oberften gutes die Rede ist, so wird uns
die besondere Note, die in dieser Verbindung von ewig und ondoit-
lich hegt, durch einen Vergleich mit 88, 22 klar: die hell is eyn
ewich gefencknis in dem vbel. Cusanus würde hier weder allein
noch zusammen mit ewich das Wort ondoitlich anwenden, weil ja
die Hölle intellectualis mors ist (vgl. oben S. 260).
66, 4. 6 werden unsere Augen als fleifchlich und doetlich be-
zeichnet; die Zugehörigkeit unserer so beschaffenen Augen zu der
sinnlichen Welt wird eigens hervorgehoben. Darum können sie
Christus, der ontdoitlich ist, nicht sehen. Er gehört nach der Auf-
erstehung ganz der andern Welt an.
b) Vnuergentlich ■— vergentlich (zijtlich). Dieses Begriffspaar
ist im wesentlichen mit dem vorigen synonym, wie sich besonders
aus 42, 7 vndotlich rijeh und der dort angeführten Parallele regnum
incorruptibile ergibt. 40, 21 wird alle irdische Liebe als vergentlich
1 Zu 50, 20 f. ist zu bemerken, daß jyner ontdoetlicheit nicht zu gottes
des vaters, sondern zu nature gehört; auch 52, 11 ist jyner auf nature zurück-
bezogen.
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selbe. Ewicheit ist Gott zu eigen (54, 7); ondoetlicheit ist eine
Eigenschaft der verftentelichen naturen (42, 10; 52, l)1. Wie kann
Cusanus dann aber sagen, die vernünftige Natur hätte eine Nei-
gung zur Ewigkeit und Unsterblichkeit (50, 17; 52, 12) ? Neigung
zu etwas ist doch nicht dasselbe wie der Besitz der betreffenden
Eigenschaft. Was Cusanus meint, wird aber aus zwei Stellen
klar: 42, 10 sagt er, das wir an vns haben eyn ondoetlicheit zu welcher
gotes rieh komen mach. D. h. die in unserer Natur gegebene Un-
sterblichkeit ist sozusagen der Anknüpfungspunkt dafür, daß
Gottes Reich, das ewig ist (42, 7), uns zuteil wird. 54, 6f. heißt es:
vnfer erdijehe nature mach die hymeljche gefetz, durch welch /ij der
gotlicher ewicheit deilhaftich wirt, nijt entphaen aen gotliche gnade.
Hier handelt es sich offenbar nicht um die Unsterblichkeit im
natürlichen Sinn des Wortes, sondern um deren Vollbesitz, der nur
in der Gemeinschaft mit Gott (vgl. 86, 21), und darum auch nur
mit seiner Gnade zu erreichen ist.
Der Gebrauch des Adjektivs vndoitlich bestätigt diese Auffas-
sung. Vndoitlich ist das Leben, welches das hymeljche broet in
sich hat und uns zu verleihen vermag (54, 22; 56, 11). Der Gegen-
satz ist an beiden Stellen die Gebrechlichkeit des irdischen Lebens,
welches die Gefahr des Todes schlechthin, d. h. der ewigen Tren-
nung von Gott, einschließt. Wenn 60, 4 von dem ewigen ondoit-
lichen bejes ader begriff des oberften gutes die Rede ist, so wird uns
die besondere Note, die in dieser Verbindung von ewig und ondoit-
lich hegt, durch einen Vergleich mit 88, 22 klar: die hell is eyn
ewich gefencknis in dem vbel. Cusanus würde hier weder allein
noch zusammen mit ewich das Wort ondoitlich anwenden, weil ja
die Hölle intellectualis mors ist (vgl. oben S. 260).
66, 4. 6 werden unsere Augen als fleifchlich und doetlich be-
zeichnet; die Zugehörigkeit unserer so beschaffenen Augen zu der
sinnlichen Welt wird eigens hervorgehoben. Darum können sie
Christus, der ontdoitlich ist, nicht sehen. Er gehört nach der Auf-
erstehung ganz der andern Welt an.
b) Vnuergentlich ■— vergentlich (zijtlich). Dieses Begriffspaar
ist im wesentlichen mit dem vorigen synonym, wie sich besonders
aus 42, 7 vndotlich rijeh und der dort angeführten Parallele regnum
incorruptibile ergibt. 40, 21 wird alle irdische Liebe als vergentlich
1 Zu 50, 20 f. ist zu bemerken, daß jyner ontdoetlicheit nicht zu gottes
des vaters, sondern zu nature gehört; auch 52, 11 ist jyner auf nature zurück-
bezogen.