264 J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.
III. Die Absolutheitssphaere in der Terminologie.
Die bisherigen Darlegungen dürften gezeigt haben, daß der
Dualismus zwischen der himmlischen, d. h. der gottnahen, und der
irdischen, d. h. der gottfernen Welt einen entscheidenden Einfluß
auf die Terminologie der Vaterunser-Auslegung hat. Es dürfte auch
deutlich geworden sein, daß der Schnitt in der geschöpflichen Welt
zwischen Vernunft und Sinnlichkeit liegt. Nun gibt es aber einen
viel tiefem Schnitt, nämlich den zwischen Gott und dem Geschöpf,
einen Schnitt, den Cusanus auf einer der ersten Seiten von „De
Docta Ignorantia“ (I c. 3, S. 8, 20; vgl. II c. 2, S. 67, 10) mit
dem Satz umschreibt, injiniti ad finitum proportionem non esse.
Das ist ein durch sich einleuchtendes Prinzip. Dieses Prinzip übt
nun, neben dem Dualismus zwischen himmlischer und irdischer
Welt, entscheidenden Einfluß auf die cusanische Terminologie aus.
Das ist nicht weiter verwunderlich. Denn da Cusanus ganz von
dem Gedanken der Unvergleichlichkeit von Gott und Geschöpf
durchdrungen ist, so muß sich das in seiner Sprache äußern. Die
Frage, die uns dabei interessiert, ist die nach dem Wie.
1. Die Bezeichnung der Absolutheitssphäre.
Termini wie absolutus, absolute und simpliciter, die bei den Aus-
sagen über die Absolutheitssphäre in DI eine so bedeutsame Rolle
spielen (vgl. auch oben 92, 15; 130, 10—13 und 14, 6), kommen
in der Auslegung nicht vor. Sie werden durch den Terminus ober ft
ersetzt. Damit aber das Mißverständnis ausgeschlossen wird, er
habe nur relative Bedeutung, fügt Cusanus, wo es nötig ist, Um-
schreibungen hinzu, die klar machen, daß er oberjt im Sinne von
absolut meint; z. B.: der oberjte name, der nicht warer, rechter ader
glicher jyn mach (36, 6f.); die oberjte einigung, die nijt merer mach
jyn, muß got jyn (40, 9). Diese Zusätze entsprechen genau der
grundlegenden Erklärung des Begriffes absolut in DI I c. 3, S. 8,
21: ubi est reperire excedens et excessum, non deveniri ad maximuni
simpliciter, cum excedentia et excessa finita sint. Da Cusanus
oberjt gelegentlich auch für relativ Höchstes gebraucht, sind solche
Zusätze von besonderer Wichtigkeit.
Auf die Sphäre des Absoluten beziehen sich folgende Stellen
(wobei eine vollständige Aufzählung nicht beabsichtigt ist): Gott
der Vater ist erjter vnd oberjter vrfprung (30, 6; 36, 11). Gott ist
eyn o. geijtliche natur (34, 5). Der Name des Vaters ist eyn o. wort
III. Die Absolutheitssphaere in der Terminologie.
Die bisherigen Darlegungen dürften gezeigt haben, daß der
Dualismus zwischen der himmlischen, d. h. der gottnahen, und der
irdischen, d. h. der gottfernen Welt einen entscheidenden Einfluß
auf die Terminologie der Vaterunser-Auslegung hat. Es dürfte auch
deutlich geworden sein, daß der Schnitt in der geschöpflichen Welt
zwischen Vernunft und Sinnlichkeit liegt. Nun gibt es aber einen
viel tiefem Schnitt, nämlich den zwischen Gott und dem Geschöpf,
einen Schnitt, den Cusanus auf einer der ersten Seiten von „De
Docta Ignorantia“ (I c. 3, S. 8, 20; vgl. II c. 2, S. 67, 10) mit
dem Satz umschreibt, injiniti ad finitum proportionem non esse.
Das ist ein durch sich einleuchtendes Prinzip. Dieses Prinzip übt
nun, neben dem Dualismus zwischen himmlischer und irdischer
Welt, entscheidenden Einfluß auf die cusanische Terminologie aus.
Das ist nicht weiter verwunderlich. Denn da Cusanus ganz von
dem Gedanken der Unvergleichlichkeit von Gott und Geschöpf
durchdrungen ist, so muß sich das in seiner Sprache äußern. Die
Frage, die uns dabei interessiert, ist die nach dem Wie.
1. Die Bezeichnung der Absolutheitssphäre.
Termini wie absolutus, absolute und simpliciter, die bei den Aus-
sagen über die Absolutheitssphäre in DI eine so bedeutsame Rolle
spielen (vgl. auch oben 92, 15; 130, 10—13 und 14, 6), kommen
in der Auslegung nicht vor. Sie werden durch den Terminus ober ft
ersetzt. Damit aber das Mißverständnis ausgeschlossen wird, er
habe nur relative Bedeutung, fügt Cusanus, wo es nötig ist, Um-
schreibungen hinzu, die klar machen, daß er oberjt im Sinne von
absolut meint; z. B.: der oberjte name, der nicht warer, rechter ader
glicher jyn mach (36, 6f.); die oberjte einigung, die nijt merer mach
jyn, muß got jyn (40, 9). Diese Zusätze entsprechen genau der
grundlegenden Erklärung des Begriffes absolut in DI I c. 3, S. 8,
21: ubi est reperire excedens et excessum, non deveniri ad maximuni
simpliciter, cum excedentia et excessa finita sint. Da Cusanus
oberjt gelegentlich auch für relativ Höchstes gebraucht, sind solche
Zusätze von besonderer Wichtigkeit.
Auf die Sphäre des Absoluten beziehen sich folgende Stellen
(wobei eine vollständige Aufzählung nicht beabsichtigt ist): Gott
der Vater ist erjter vnd oberjter vrfprung (30, 6; 36, 11). Gott ist
eyn o. geijtliche natur (34, 5). Der Name des Vaters ist eyn o. wort