Drittes Kapitel: Erläuterungen. §6.
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vater vnd ijn eijme (30, 18), er ist aber in ihnen vnuerdeilt vnd vnuer-
menget (32, 18).
Bei der Auslegung der ersten Bitte liegt Cusanus zunächst
sehr viel an dem Nachweis, daß der Name des Vaters, von dem
die Bitte handelt, der Sohn ist (34, 11—36, 17). Dabei spielt er mit
den Worten gelichnijs und glich. Was bedeutet gelichnijs? M. Geist
übersetzt das Wort 36, 2. 16 (g. der jynlicher gebürt) u. 21 mit
similitudo \ 36, 15 (oberjte g.) mit supremum aequale\ 36, 20 u.
38, 11 mit aequalitas. Dieser Wechsel ist aber unberechtigt. Der
Zusammenhang legt nah, daß der Terminus eindeutig ist. Einen
sichern Ausgangspunkt bietet die Parallele zwischen den beiden
Sätzen: (eyn begrifflich wort) is eyn glichnifs des verjtentenifs
(36, 4) und: Verbum est similitudo ipsius intellectus (36, 1—4*).
Der Begriff ist ein Abbild der denkenden Vernunft, und zwar des-
halb, weil er aus dem Vermögen (macht = potentia) der Vernunft
hervorgeht (36, 3). So ist der Name ein Abbild des Benannten
(36, 2; vgl. dazu 102, 27f.), so der Sohn ein Abbild seines Vaters
(36, 15ff.; 36, 16*). Legt man diese Bedeutung von gelichnijs zu-
grunde, so lassen sich alle Sätze, in denen das Wort vorkommt,
ohne Schwierigkeit verstehen. Sehr zu beachten scheint mir das
Nebeneinander von oberfte gelichnis und fpiegel der wiffheit (38,
11 f.): wie man in dem Spiegel den sich darin Spiegelnden sieht,
so in dem Abbild den sich in ihm Abbildenden.
Auch gelichnijs der fynlicher gebürt (36, 16) fällt nicht aus dem
Rahmen dieser Deutung heraus; das Wort erscheint hier nur in
dem übertragenen Sinn von Vergleich, Beispiel. Im Lateinischen
entspricht dem similitudo (DI 19, 1. 9). In der Wiener Predigt
wird — und das ist sehr instruktiv — neben geleichnuzz (112, 3)
ebenpild (98, 15; 104,3; 112, 27) und peyjpild (! 112, 12) gebraucht.
Man sieht hier also die engste Verwandtschaft der beiden Bedeu-
tungen* 1.
eum Parmenides. Similiter et Anaxagoras, qui aiebat melius runum’, quam
'omnia simul\ Non intelligas de uno numerali, quod monas seu singulare
dicitur, sed de uno scilicet indivisibili omni modo divisionis quod sine omni
dualitate intelligitur. Post quod omnia sine dualitate nec esse nec concipi
possunt“ etc. (c. 12, ed. L. Baur, S. 12f.).
1 Es ist nicht uninteressant, daß gelichnisse bei Eckhart außer den
bei Cusanus nachgewiesenen Bedeutungen "Ähnlichkeit’ und "Gleichnis’ ge-
legentlich, wenn auch nur ganz selten, auch die von "Gleichheit’ hat. Z. B.
Fr. Jostes, Meister Eckhart und seine Jünger, 1895, Nr. 73, S. 75, 35f.:
,,swenn smakent <(di> sele gotlich Weisheit? do laufent vier dink uf. Daz
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vater vnd ijn eijme (30, 18), er ist aber in ihnen vnuerdeilt vnd vnuer-
menget (32, 18).
Bei der Auslegung der ersten Bitte liegt Cusanus zunächst
sehr viel an dem Nachweis, daß der Name des Vaters, von dem
die Bitte handelt, der Sohn ist (34, 11—36, 17). Dabei spielt er mit
den Worten gelichnijs und glich. Was bedeutet gelichnijs? M. Geist
übersetzt das Wort 36, 2. 16 (g. der jynlicher gebürt) u. 21 mit
similitudo \ 36, 15 (oberjte g.) mit supremum aequale\ 36, 20 u.
38, 11 mit aequalitas. Dieser Wechsel ist aber unberechtigt. Der
Zusammenhang legt nah, daß der Terminus eindeutig ist. Einen
sichern Ausgangspunkt bietet die Parallele zwischen den beiden
Sätzen: (eyn begrifflich wort) is eyn glichnifs des verjtentenifs
(36, 4) und: Verbum est similitudo ipsius intellectus (36, 1—4*).
Der Begriff ist ein Abbild der denkenden Vernunft, und zwar des-
halb, weil er aus dem Vermögen (macht = potentia) der Vernunft
hervorgeht (36, 3). So ist der Name ein Abbild des Benannten
(36, 2; vgl. dazu 102, 27f.), so der Sohn ein Abbild seines Vaters
(36, 15ff.; 36, 16*). Legt man diese Bedeutung von gelichnijs zu-
grunde, so lassen sich alle Sätze, in denen das Wort vorkommt,
ohne Schwierigkeit verstehen. Sehr zu beachten scheint mir das
Nebeneinander von oberfte gelichnis und fpiegel der wiffheit (38,
11 f.): wie man in dem Spiegel den sich darin Spiegelnden sieht,
so in dem Abbild den sich in ihm Abbildenden.
Auch gelichnijs der fynlicher gebürt (36, 16) fällt nicht aus dem
Rahmen dieser Deutung heraus; das Wort erscheint hier nur in
dem übertragenen Sinn von Vergleich, Beispiel. Im Lateinischen
entspricht dem similitudo (DI 19, 1. 9). In der Wiener Predigt
wird — und das ist sehr instruktiv — neben geleichnuzz (112, 3)
ebenpild (98, 15; 104,3; 112, 27) und peyjpild (! 112, 12) gebraucht.
Man sieht hier also die engste Verwandtschaft der beiden Bedeu-
tungen* 1.
eum Parmenides. Similiter et Anaxagoras, qui aiebat melius runum’, quam
'omnia simul\ Non intelligas de uno numerali, quod monas seu singulare
dicitur, sed de uno scilicet indivisibili omni modo divisionis quod sine omni
dualitate intelligitur. Post quod omnia sine dualitate nec esse nec concipi
possunt“ etc. (c. 12, ed. L. Baur, S. 12f.).
1 Es ist nicht uninteressant, daß gelichnisse bei Eckhart außer den
bei Cusanus nachgewiesenen Bedeutungen "Ähnlichkeit’ und "Gleichnis’ ge-
legentlich, wenn auch nur ganz selten, auch die von "Gleichheit’ hat. Z. B.
Fr. Jostes, Meister Eckhart und seine Jünger, 1895, Nr. 73, S. 75, 35f.:
,,swenn smakent <(di> sele gotlich Weisheit? do laufent vier dink uf. Daz