Drittes Kapitel: Erläuterungen. § 6.
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gemindert zu werden. Wie kommt er aber dazu, diese Formen
ausfließen zu lassen? Albert antwortet1, das beruhe auf der
Fähigkeit des Urwesens, sich selbst mitzuteilen. Denn erstens ist
es lautere Wirklichkeit, und zweitens strömt es sozusagen aus der
Fülle seiner Güte über. In dem 'dionysischen’ Axiom „bonum est
diffusivum sui et esse“ hat dieser Gedanke in der scholastischen
Literatur weiteste Verbreitung gefunden2.
Die andere Bedeutung von vißflos und flujen findet sich 52,
6ff. Das Verlangen des Willens nach dem Guten wird hier aus
dem vißfloff des heiligen geijt hergeleitet, wie die Neigung der Ver-
nunft zur Wahrheit viß dem vißflos von dem jone gottes. Die Erklä-
rung ergibt sich aus dem Vorhergehenden. 52, 4 heißt es vom
Willen, daß er von dem licht des heiligen geijtz anders nijt begert
dan das gut is. Der vißflos des Hl. Geistes wird hier also als Licht
bestimmt. Ähnliches ergibt sich aus 52, lf. für die Vernunft. Dem
entspricht der Gebrauch des Wortes flujen in Z. 6. Wie die Wahr-
heit in besonderer Weise dem Sohn, so wird die Gutheit (bonitas)
dem Hl. Geist appropriiert. Insofern erscheint alles Gute als etwas,
was vom III. Geist ausgeht. All diese Ausdrücke sind mit Vor-
bedacht gewählt, weil der ganze Abschnitt dem Nachweis dient,
daß die vernünftige Natur ihrem Wesen und ihren Kräften nach
ein Abglanz Gottes ist3.
36, 3 heißt es vom Gedanken: das begrifflich wort flufet aujf
der macht des ver/tentnijs vnd is eyn glichnijs des verjtentenifs. Das
Wort flujen soll hier den innern, seinsmäßigen Zusammenhang zwi-
schen dem im Begriff geformten Gedanken und der Kraft der Ver-
nunft ausdrücken. Auf diesem Zusammenhang beruht es, daß jener
ein Abbild von dieser ist.
Wyderflos (26, 16; 60, 13) bedeutet die Bückkehr der Ge-
schöpfe zu Gott. Nach A. Nicklas S. 126 ist das Wort vor den
Mystikern nicht belegt. M. Geist übersetzt es mit refluxus und
trifft damit den Ausdruck, dessen sich auch Cusanus bedient. Aus
der Auslegung der letzten Bitte und dem Zitat aus Pr. 12 (oben
S. 273) ergibt sich, daß nur die Frommen an dem wyderflos teil-
haben, daß es sich also nicht um ein naturhaftes Geschehen han-
delt. Über die zugrunde liegende Idee vgl. oben S. 231.
Über den Terminus ende ist nicht viel zu sagen; er erscheint
1 a.a.O., 411b.
2 Vgl. z. B. Meister Eckhart, Die deutschen Werke I, Pr. 15, S. 245, 2ff.
3 Ygl. dazu auch Pr. 71, S. 110, 20.
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gemindert zu werden. Wie kommt er aber dazu, diese Formen
ausfließen zu lassen? Albert antwortet1, das beruhe auf der
Fähigkeit des Urwesens, sich selbst mitzuteilen. Denn erstens ist
es lautere Wirklichkeit, und zweitens strömt es sozusagen aus der
Fülle seiner Güte über. In dem 'dionysischen’ Axiom „bonum est
diffusivum sui et esse“ hat dieser Gedanke in der scholastischen
Literatur weiteste Verbreitung gefunden2.
Die andere Bedeutung von vißflos und flujen findet sich 52,
6ff. Das Verlangen des Willens nach dem Guten wird hier aus
dem vißfloff des heiligen geijt hergeleitet, wie die Neigung der Ver-
nunft zur Wahrheit viß dem vißflos von dem jone gottes. Die Erklä-
rung ergibt sich aus dem Vorhergehenden. 52, 4 heißt es vom
Willen, daß er von dem licht des heiligen geijtz anders nijt begert
dan das gut is. Der vißflos des Hl. Geistes wird hier also als Licht
bestimmt. Ähnliches ergibt sich aus 52, lf. für die Vernunft. Dem
entspricht der Gebrauch des Wortes flujen in Z. 6. Wie die Wahr-
heit in besonderer Weise dem Sohn, so wird die Gutheit (bonitas)
dem Hl. Geist appropriiert. Insofern erscheint alles Gute als etwas,
was vom III. Geist ausgeht. All diese Ausdrücke sind mit Vor-
bedacht gewählt, weil der ganze Abschnitt dem Nachweis dient,
daß die vernünftige Natur ihrem Wesen und ihren Kräften nach
ein Abglanz Gottes ist3.
36, 3 heißt es vom Gedanken: das begrifflich wort flufet aujf
der macht des ver/tentnijs vnd is eyn glichnijs des verjtentenifs. Das
Wort flujen soll hier den innern, seinsmäßigen Zusammenhang zwi-
schen dem im Begriff geformten Gedanken und der Kraft der Ver-
nunft ausdrücken. Auf diesem Zusammenhang beruht es, daß jener
ein Abbild von dieser ist.
Wyderflos (26, 16; 60, 13) bedeutet die Bückkehr der Ge-
schöpfe zu Gott. Nach A. Nicklas S. 126 ist das Wort vor den
Mystikern nicht belegt. M. Geist übersetzt es mit refluxus und
trifft damit den Ausdruck, dessen sich auch Cusanus bedient. Aus
der Auslegung der letzten Bitte und dem Zitat aus Pr. 12 (oben
S. 273) ergibt sich, daß nur die Frommen an dem wyderflos teil-
haben, daß es sich also nicht um ein naturhaftes Geschehen han-
delt. Über die zugrunde liegende Idee vgl. oben S. 231.
Über den Terminus ende ist nicht viel zu sagen; er erscheint
1 a.a.O., 411b.
2 Vgl. z. B. Meister Eckhart, Die deutschen Werke I, Pr. 15, S. 245, 2ff.
3 Ygl. dazu auch Pr. 71, S. 110, 20.
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