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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0276
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276

J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.

überall nur als das letzte Glied des hier besprochenen Quaternars
(26, 16; 28, 16; 60, 14. 16). Der Doppelsinn, den er mit dem
lateinischen finis gemeinsam hat, nämlich Ende und Ziel, ist be-
sonders aus 28, 16 zu ersehen. Da die Bedeutung des Satzes bereits
S. 231 f. erörtert worden ist, brauchen wir hier nicht noch einmal
darauf zurückzukommen.
Damit können wir die Untersuchung der deutschen Termi-
nologie des Cusanus abschließen. Denn was noch übrig bleibt, ist
eine Summe theologischer Begriffe, die offenbar längst zum festen
Bestand von Predigt und Unterricht gehörten und daher auch in
seinem Werk ein selbstverständliches Element bilden. Soweit theo-
logische Probleme vorliegen, sind sie in § 5 behandelt worden.
Sehen wir von diesem Allgemeingut ab, so erweist sich die deut-
sche Terminologie der Vaterunser-Auslegung als durchaus
eigenständig, und zwar in einem doppelten Sinne: erstens er-
wächst sie aus dem christlichen Platonismus des Cusanus, der
seinen systematischen Ausdruck nicht nur in ,,De Docta Igno-
rantia“, sondern ebenfalls in der Auslegung findet. Wie diese nun
als Ganzes keine 'Übersetzung’ des Hauptwerkes ist, so ist auch
die deutsche Terminologie keine Übertragung lateinischer Ter-
mini, sondern ganz deutsch gedacht. Es sei beispielsweise nur
noch einmal an die Funktion des Wortes oberjt zur Bezeichnung
der Absolutheitssphäre oder an die von w/fflos zur Bezeichnung der
creatio-passio erinnert. Supremus hat jene Funktion im Lateini-
schen nicht und ejfluxus fehlt überhaupt in der Terminologie von
,,De Docta Ignorantia“. Man kann diese Eigenständigkeit nicht
genug betonen. Denn sie zeigt, daß Humanismus keineswegs
Entfremdung gegenüber dem eigenenVolk und der eige-
nen Sprache bedeutet. Wie Cusanus seines Volkstums bewußt
war1, so vermochte er auch seine Muttersprache, die Sprache seiner
moselfränkischen Heimat, meisterhaft zu handhaben. Eigenständig
ist seine Terminologie aber auch darin, daß man sie nicht aus
der der deutschen Mystik zu verstehen oder abzuleiten
vermag. Trotz mancherlei Berührungspunkte muß man sie viel-
mehr ihr gegenüber abgrenzen. Haben wir es nun bei der Vater-
unser-Auslegung des Cusanus mit einem völligen Neuansatz
zu tun? Das ist eine Frage, auf welche man nur nach einer sehr

1 Vgl. De concordantia catholica (ed. G. Kallen, 1939), Praefatio
2, 15 ff.
 
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