Anhang II.
281
Kanzler Iohannes Gerson, der sich eifrigst um die Reform des
religiösen Lebens bemühte, scheint zuerst die Idee gehabt zu haben,
solche belehrende Tafeln in den Kirchen aufhängen zu lassen. In
der Vorrede zu seinem ,,Opus tripartitum“1, das sowohl als Hand-
buch für die Geistlichen wie auch als Lehrbuch für die Laien2
gedacht ist, sagt er, die in seinem Buch gebotene Lehre solle auf
Tafeln aufgeschrieben und ganz oder zum Teil an öffentlichen
Plätzen, nämlich in den Pfarrkirchen, in den Schulen, Kranken-
häusern und religiösen Stätten (= Kapellen?) angeschlagen wer-
den. Von ihm dürfte Cusanus direkt oder indirekt die Anregung
zur Herstellung solcher Wandkatechismen erhalten haben. Ob
schon jemand vor ihm die Gersonsche Idee in die Tat umgesetzt
hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Soweit wir aus den Über-
resten im deutschen Sprachgebiet urteilen können, scheint Cusa-
nus hier der erste gewesen zu sein, der solche Tafeln aufhängen
ließ. Die erhaltenen Stücke sind nämlich alle erheblich jünger. Es
gibt einen Einblattdruck, der um 1500 in Speyer hergestellt wurde
und von dem ein Exemplar im Germanischen Museum in Nürn-
berg ist, und zwei steinerne Tafeln in St. Zeno in Reichenhall aus
dem Jahre 15213. Der Züricher Wandkatechismus, von dem Geff-
cken4 ausführlich berichtet, stammt aus dem Jahre 1525. Er
dürfte der letzte seiner Art sein. Mit Luthers Katechismus von
1529 begann dann bald eine neue Periode der christlichen Unter-
weisung.
Erweist sich so die Anordnung des Kardinals, solche Tafeln
in den Kirchen aufzuhängen, nicht als originell, so ist sie doch in
doppelter Hinsicht für ihn charakteristisch. Erstens vergißt er
über der gewaltigen Aufgabe der Reform des Klerus nicht das ein-
fache christliche Volk. Wie er zu ihm gepredigt hat, zeigt die
1 Opera II, 258: Agant igitur praenominati quod doctrina huius libri
inscribatur tabellis, affigatur tota vel per partes in locis communibus, utpote
parochialibus ecclesiis, in scholis, in hospitalibus, in locis religiosis.
2 Es ist ursprünglich französisch geschrieben und wurde erst nachträg-
lich ins Lateinische übersetzt.
3 Vgl. außer Falk in dem oben an zweiter Stelle genannten Aufsatz,
wo alles Wesentliche über diese Tafeln kurz und sachkundig zusammengestellt
ist, H. Vollmer, Die Psalmenverdeutschung usw., 2. Hälfte, S. 63f. Ders.,
Die Bibel im deutschen Kulturleben, 1938, S. 142.
4 J. Geffcken, Der Bilderkatechismus des 15. Jahrhunderts, Leipzig
1855, Beilage XXIV, S. 203ff. Nach Falks Angaben in dem genannten Auf-
satz scheint diese Tafel heute auch nicht mehr zu existieren.
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Kanzler Iohannes Gerson, der sich eifrigst um die Reform des
religiösen Lebens bemühte, scheint zuerst die Idee gehabt zu haben,
solche belehrende Tafeln in den Kirchen aufhängen zu lassen. In
der Vorrede zu seinem ,,Opus tripartitum“1, das sowohl als Hand-
buch für die Geistlichen wie auch als Lehrbuch für die Laien2
gedacht ist, sagt er, die in seinem Buch gebotene Lehre solle auf
Tafeln aufgeschrieben und ganz oder zum Teil an öffentlichen
Plätzen, nämlich in den Pfarrkirchen, in den Schulen, Kranken-
häusern und religiösen Stätten (= Kapellen?) angeschlagen wer-
den. Von ihm dürfte Cusanus direkt oder indirekt die Anregung
zur Herstellung solcher Wandkatechismen erhalten haben. Ob
schon jemand vor ihm die Gersonsche Idee in die Tat umgesetzt
hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Soweit wir aus den Über-
resten im deutschen Sprachgebiet urteilen können, scheint Cusa-
nus hier der erste gewesen zu sein, der solche Tafeln aufhängen
ließ. Die erhaltenen Stücke sind nämlich alle erheblich jünger. Es
gibt einen Einblattdruck, der um 1500 in Speyer hergestellt wurde
und von dem ein Exemplar im Germanischen Museum in Nürn-
berg ist, und zwei steinerne Tafeln in St. Zeno in Reichenhall aus
dem Jahre 15213. Der Züricher Wandkatechismus, von dem Geff-
cken4 ausführlich berichtet, stammt aus dem Jahre 1525. Er
dürfte der letzte seiner Art sein. Mit Luthers Katechismus von
1529 begann dann bald eine neue Periode der christlichen Unter-
weisung.
Erweist sich so die Anordnung des Kardinals, solche Tafeln
in den Kirchen aufzuhängen, nicht als originell, so ist sie doch in
doppelter Hinsicht für ihn charakteristisch. Erstens vergißt er
über der gewaltigen Aufgabe der Reform des Klerus nicht das ein-
fache christliche Volk. Wie er zu ihm gepredigt hat, zeigt die
1 Opera II, 258: Agant igitur praenominati quod doctrina huius libri
inscribatur tabellis, affigatur tota vel per partes in locis communibus, utpote
parochialibus ecclesiis, in scholis, in hospitalibus, in locis religiosis.
2 Es ist ursprünglich französisch geschrieben und wurde erst nachträg-
lich ins Lateinische übersetzt.
3 Vgl. außer Falk in dem oben an zweiter Stelle genannten Aufsatz,
wo alles Wesentliche über diese Tafeln kurz und sachkundig zusammengestellt
ist, H. Vollmer, Die Psalmenverdeutschung usw., 2. Hälfte, S. 63f. Ders.,
Die Bibel im deutschen Kulturleben, 1938, S. 142.
4 J. Geffcken, Der Bilderkatechismus des 15. Jahrhunderts, Leipzig
1855, Beilage XXIV, S. 203ff. Nach Falks Angaben in dem genannten Auf-
satz scheint diese Tafel heute auch nicht mehr zu existieren.