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E. Wahle:
Resten der älteren Bewohnerschaft sind die neuen Herren des
Landes aus dem Fundstoff allein nicht mit absoluter Sicherheit
herauszuschälen. Hätten wir nicht die schriftlichen Nachrichten,
so könnten wir den Wechsel der Bevölkerung nicht beweisen.
Genau dasselbe Problem begegnet uns am Oberrhein überall
dort, wo im letzten Jahrhundert v. Chr. Sweben ansässig wurden.
Die Schriftquellen nennen hier Wangionen, Nemeter und Triboker,
und Caesar sagt uns mit aller notwendigen Bestimmtheit, daß sie
Germanen sind. Diese Sweben des Ariovist erscheinen am Rhein
kaum vor dem Beginn der Spät-La-Tene-Zeit. So haben Kossinna
und Schumacher sie in dem Fundstoff dieser Periode nachzuweisen
versucht1. Aus dem Erlebnis des Weltkriegs heraus leitete dann
der Letztere die planmäßige Bearbeitung dieses frühesten Nach-
lasses germanischer Besiedelung der Rheinlande ein, „eine würdige
Aufgabe der deutschen Wissenschaft nach dem großen Kriege, der
das deutsche Volk wieder auf sich selbst und den Wert seiner
Kultur besinnen lehrte“2. Doch ist diese Behandlung des hier inter-
essierenden oberrheinischen Stoffes nicht über ein schmales, die
Wangionen betreffendes Heft hinausgelangt3, und es kommt hin-
zu, daß das in ihm vorgelegte Material aus sich selbst heraus nie-
mals den Germanen zugeschrieben werden kann. Genau dasselbe
aber gilt von den Funden aus den übrigen oberrheinischen Be-
reichen, die in den einzelnen Gauen verschieden zahlreich sind und
sämtlich noch der einheitlichen Bearbeitung harren.
Insgesamt ist das Gewand, in dem hier die späte La-Tene-Zeit
begegnet, weitgehend keltisch bestimmt. Besonders gilt dies von
der Scheibenkeramik, die sich nicht selten zur bemalten Ware auf-
schwingt. Es begegnen auch gläserne Armringe, die wir sonst nur
aus keltischen Körpergräbern kennen, und wenn auch so gut wie
stets die Brandbestattung geübt wird, so ist doch der Brauch, einen
ganzen Satz von Tongefäßen beizugeben, durchaus ungermanisch.
Genau so wie in Bettingen tragen die Waffen aus den Männer-
gräbern wie die Gürtelketten und noch andere Schmucksachen aus
den Frauengräbern ein vorwiegend keltisches Gepräge. Wenn von
J Korrespondenzblatt 38, 1907, 59ff.; Prähistorische Zeitschrift 6, 1914,
269 ff.
2 Ebenda 292.
3 G. Behrens, Denkmäler des Wangionengebietes, 1923 (= Germanische
Denkmäler der Frühzeit I). Zwei Nachträge hierzu: Mainzer Zeitschrift 29,
1934, 44ff. u. 32, 1937, 99ff.
E. Wahle:
Resten der älteren Bewohnerschaft sind die neuen Herren des
Landes aus dem Fundstoff allein nicht mit absoluter Sicherheit
herauszuschälen. Hätten wir nicht die schriftlichen Nachrichten,
so könnten wir den Wechsel der Bevölkerung nicht beweisen.
Genau dasselbe Problem begegnet uns am Oberrhein überall
dort, wo im letzten Jahrhundert v. Chr. Sweben ansässig wurden.
Die Schriftquellen nennen hier Wangionen, Nemeter und Triboker,
und Caesar sagt uns mit aller notwendigen Bestimmtheit, daß sie
Germanen sind. Diese Sweben des Ariovist erscheinen am Rhein
kaum vor dem Beginn der Spät-La-Tene-Zeit. So haben Kossinna
und Schumacher sie in dem Fundstoff dieser Periode nachzuweisen
versucht1. Aus dem Erlebnis des Weltkriegs heraus leitete dann
der Letztere die planmäßige Bearbeitung dieses frühesten Nach-
lasses germanischer Besiedelung der Rheinlande ein, „eine würdige
Aufgabe der deutschen Wissenschaft nach dem großen Kriege, der
das deutsche Volk wieder auf sich selbst und den Wert seiner
Kultur besinnen lehrte“2. Doch ist diese Behandlung des hier inter-
essierenden oberrheinischen Stoffes nicht über ein schmales, die
Wangionen betreffendes Heft hinausgelangt3, und es kommt hin-
zu, daß das in ihm vorgelegte Material aus sich selbst heraus nie-
mals den Germanen zugeschrieben werden kann. Genau dasselbe
aber gilt von den Funden aus den übrigen oberrheinischen Be-
reichen, die in den einzelnen Gauen verschieden zahlreich sind und
sämtlich noch der einheitlichen Bearbeitung harren.
Insgesamt ist das Gewand, in dem hier die späte La-Tene-Zeit
begegnet, weitgehend keltisch bestimmt. Besonders gilt dies von
der Scheibenkeramik, die sich nicht selten zur bemalten Ware auf-
schwingt. Es begegnen auch gläserne Armringe, die wir sonst nur
aus keltischen Körpergräbern kennen, und wenn auch so gut wie
stets die Brandbestattung geübt wird, so ist doch der Brauch, einen
ganzen Satz von Tongefäßen beizugeben, durchaus ungermanisch.
Genau so wie in Bettingen tragen die Waffen aus den Männer-
gräbern wie die Gürtelketten und noch andere Schmucksachen aus
den Frauengräbern ein vorwiegend keltisches Gepräge. Wenn von
J Korrespondenzblatt 38, 1907, 59ff.; Prähistorische Zeitschrift 6, 1914,
269 ff.
2 Ebenda 292.
3 G. Behrens, Denkmäler des Wangionengebietes, 1923 (= Germanische
Denkmäler der Frühzeit I). Zwei Nachträge hierzu: Mainzer Zeitschrift 29,
1934, 44ff. u. 32, 1937, 99ff.