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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0020
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20

E. Wahle:

keltischen Stiles am reinsten in den Metallarbeiten verkörpert.
Verworn nennt1 den „Bogenschnörkel“ als besonders charakteri-
stisch; er sei „geradezu das spezifisch keltische Nationalornament“.
Aber auch wenn man sich mit dieser Umschreibung des Inhalts
der keltischen Kunstübung nicht begnügt, erscheint damit doch
das Wesentliche der Ornamentik richtig erfaßt. In der Tat begleitet
diese Art der Linienführung die keltische Kunst durch alle ihre
Räume und ihre zeitlichen Wandlungen, von dem La-Tene A des
Festlandes an bis zu der Buchmalerei in Irland. Was sonst noch
an Besonderheiten innerhalb dieses Stiles begegnet, hat nur be-
grenzte Lebensdauer; von den Masken der mitteleuropäischen
Frühstufe gilt dies genau so wie von den Silberarbeiten der Donau-
kelten.
Nach Ausweis des antiken Einfuhrgutes, das in Gestalt von
griechischen Vasen und etruskischen Bronzen mit dem frühen La-
Tene-Stil (A) in Fürstengräbern vergesellschaftet ist, beginnt der
letztere nicht vor der Mitte des 5. Jahrhunderts vor Beginn unserer
Zeitrechnung. Nicht so leicht aber wie dieser Zeitansatz kann die
Frage nach der Herkunft des La-Tene-Stils beantwortet werden.
Furtwänglers allgemeiner Hinweis auf die griechische Heimat
seiner Wurzeln hat im Laufe der Jahrzehnte eine schärfere Fassung
erfahren; es wird heute mit starken Ausstrahlungen aus dem alten
Italien und besonders dem Gebiet der etruskischen Kunst gerech-
net. Wie auf derartige fremde Quellen verweist man gerne auch
auf fremde Räume, wenn es gilt, den unvermittelt auftretenden
La-Tene-Stil irgendwoher abzuleiten. In Deutschland neigt man
dazu, den Stil wie die ihn tragenden Menschen aus Ostfrankreich
einwandern zu lassen2, ohne doch zu bedenken, daß mit dieser Ver-
schiebung nach einem fremden Raum das Problem keineswegs ge-
löst ist. Aber dieser Weg, einen im eigenen Arbeitsgebiet ohne
Vorstufen in Erscheinung tretenden archäologischen Kreis aus der
nicht näher bekannten Nachbarschaft abzuleiten, wird in der Prä-
historie überhaupt gerne eingeschlagen, und das verweist uns auf
eine — später noch näher zu besprechende — Einstellung gegen-

1 a.a.O. 1919, 15f.
2 Ich selbst habe diese Auffassung früher vertreten, vgl. Vorgeschichte
des deutschen Volkes, 1924, 94: ,,. . . macht der Einfall eines Volkes aus west-
licher Richtung, nämlich aus Ostfrankreich heraus, der Hallstattkultur Süd-
und Mitteldeutschlands jäh ein Ende“. Ostfrankreich als Ursprungsraum der
keltischen Wanderzüge ebenda 99.
 
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