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E. Wähle:
zwischen Sauer und Saale das Problem der germanischen Ein-
wanderung in die linksrheinischen Gebiete der Lösung näher zu
bringen, dann wird in erster Linie die regionale Frühgeschichts-
forschung von den so gewonnenen Anregungen zehren. Und wenn
es möglich ist, die allzu oft betonte Lückenhaftigkeit sowohl des
Fundnachlasses selbst wie auch unserer Kenntnis von ihm durch
einen Gesichtspunkt methodischer Art zo überbrücken, dann ist
das ein ganz besonderer Gewinn.
Im Jahre 1900 umschrieben G. Kossinna1 und von ihm un-
abhängig auch P. Reinecke2 eine Gruppe von Körpergräbern, die,
mit Wendelringen und anderen bezeichnenden Bronzen der älteren
Eisenzeit ausgestattet, im Flußgebiet der Saale begegnet. Rein-
ecke nannte sie ,,eine sich von den üblichen süddeutschen wie
norddeutschen Erscheinungen scharf abhebende locale Gruppe“;
den Gedankengängen Kos sinn as damals nicht abgeneigt, gab er
der Möglichkeit Raum, daß es sich dabei um eine der La-Tene-
Kultur vorangehende Fundgruppe von ebenfalls keltischer Natio-
nalität handele. Für Kossinna, der erstmals 1895 die eisenzeit-
lichen Brandbestattungen den Germanen und die gleichzeitigen
Körpergräber den Kelten zugeschrieben hatte3, kamen hier nur die
Kelten in Betracht, und er ist zeitlebens bei dieser Ansicht ge-
blieben4. Sofort verwies er sie auch in den größeren Zusammen-
hang der ,,Skelettgräber der jüngsten Hallstatt-Periode, die von
Eifel und Hunsrück durch ganz Nassau, durch Ober- und Kur-
hessen, sowie durch Thüringen bis ins Saalegebiet reichen, das
Kgr. Sachsen und die Oberlausitz überspringen, um in Mittel- und
Niederschlesien wiederum zu erscheinen, also ein durch fast ganz
Mitteldeutschland sich erstreckendes, den germanischen Norden
abschließendes Band.“ Die schlesischen Entsprechungen hat er
niemals wieder in diesen Zusammenhang gebracht5, dagegen die
1 Vortrag Pfingsten 1900, gedruckt: Beiträge zur Geschichte der deut-
schen Sprache und Literatur 26, 1901, 283 Anm.
2 Zeitschrift für Ethnologie 32, 1900, (486)—(490).
3 S. oben S. 6 Anm. 1.
4 Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte 38, 1907, 57; Mannus 7, 1915, 114ff.; Mannus
11/12, 1919/20, 411; Die Herkunft der Germanen2, 1920, Karte auf Tafel 2;
Ursprung und Verbreitung der Germanen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit,
1928, 38f.
5 So wenig wir dies heute tun würden; die betreffenden Erscheinungen
(Adamowitz, Iwanowitzer Typus usw.) gehen auf Einflüsse aus dem illyrischen
Hallstatt-Kreise zurück.
E. Wähle:
zwischen Sauer und Saale das Problem der germanischen Ein-
wanderung in die linksrheinischen Gebiete der Lösung näher zu
bringen, dann wird in erster Linie die regionale Frühgeschichts-
forschung von den so gewonnenen Anregungen zehren. Und wenn
es möglich ist, die allzu oft betonte Lückenhaftigkeit sowohl des
Fundnachlasses selbst wie auch unserer Kenntnis von ihm durch
einen Gesichtspunkt methodischer Art zo überbrücken, dann ist
das ein ganz besonderer Gewinn.
Im Jahre 1900 umschrieben G. Kossinna1 und von ihm un-
abhängig auch P. Reinecke2 eine Gruppe von Körpergräbern, die,
mit Wendelringen und anderen bezeichnenden Bronzen der älteren
Eisenzeit ausgestattet, im Flußgebiet der Saale begegnet. Rein-
ecke nannte sie ,,eine sich von den üblichen süddeutschen wie
norddeutschen Erscheinungen scharf abhebende locale Gruppe“;
den Gedankengängen Kos sinn as damals nicht abgeneigt, gab er
der Möglichkeit Raum, daß es sich dabei um eine der La-Tene-
Kultur vorangehende Fundgruppe von ebenfalls keltischer Natio-
nalität handele. Für Kossinna, der erstmals 1895 die eisenzeit-
lichen Brandbestattungen den Germanen und die gleichzeitigen
Körpergräber den Kelten zugeschrieben hatte3, kamen hier nur die
Kelten in Betracht, und er ist zeitlebens bei dieser Ansicht ge-
blieben4. Sofort verwies er sie auch in den größeren Zusammen-
hang der ,,Skelettgräber der jüngsten Hallstatt-Periode, die von
Eifel und Hunsrück durch ganz Nassau, durch Ober- und Kur-
hessen, sowie durch Thüringen bis ins Saalegebiet reichen, das
Kgr. Sachsen und die Oberlausitz überspringen, um in Mittel- und
Niederschlesien wiederum zu erscheinen, also ein durch fast ganz
Mitteldeutschland sich erstreckendes, den germanischen Norden
abschließendes Band.“ Die schlesischen Entsprechungen hat er
niemals wieder in diesen Zusammenhang gebracht5, dagegen die
1 Vortrag Pfingsten 1900, gedruckt: Beiträge zur Geschichte der deut-
schen Sprache und Literatur 26, 1901, 283 Anm.
2 Zeitschrift für Ethnologie 32, 1900, (486)—(490).
3 S. oben S. 6 Anm. 1.
4 Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte 38, 1907, 57; Mannus 7, 1915, 114ff.; Mannus
11/12, 1919/20, 411; Die Herkunft der Germanen2, 1920, Karte auf Tafel 2;
Ursprung und Verbreitung der Germanen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit,
1928, 38f.
5 So wenig wir dies heute tun würden; die betreffenden Erscheinungen
(Adamowitz, Iwanowitzer Typus usw.) gehen auf Einflüsse aus dem illyrischen
Hallstatt-Kreise zurück.