Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 39
bis gegen Christi Geburt hin, eine ungestörte, im Lande selbst
gewordene Entwicklung zeigen soll. Es wird ausdrücklich betont,
daß die Töpfe ein zuverlässigeres Ergebnis bevölkerungsgeschicht-
licher Art versprechen als die Metallsachen. „Haben für Schu-
macher entsprechend ihrem überragenden Anteil an der Zusam-
mensetzung des damaligen Fundstoffes die Bronzen die Blick-
richtung bestimmt, so ist jetzt mit dem reichen keramischen Fund-
stoff, den die Siedlungsgruben geliefert haben, ein Material ge-
wonnen, das vor den Bronzen den Vorzug der stärkeren Boden-
gebundenheit aufweist, für die Beurteilung von Stammeswanderun-
gen also von vornherein geeigneter ist als jene“1. Natürlich hat
diese Sprache der keramischen Typentafeln etwas Bestechendes;
aber es fragt sich doch sehr, ob damit auch die hinter ihnen stehen-
den Menschen so unbedingt sicher gefaßt werden können, und ob
nicht die an sich berechtigte Neigung der heutigen Prähistorie, mit
einer bodengebundenen, Völkerbewegungen überdauernden Schicht
von Menschen zu rechnen, hier in einer reichlich schematischen
Form zum Ausdruck kommt. Sodann fällt es auf, daß angesichts
dieser Herausstellung der Bodenständigkeit doch niemals von den
Nachkommen der bronzezeitlichen Bewohner des Landes die Rede
ist, daß vielmehr diese letzteren, in denen doch das ganze bäuer-
liche Neolithikum blutsmäßig weiterlebt, einfach ausgelöscht er-
scheinen.
Aber man braucht diese Einwände methodischer Art gar nicht
erst in aller Ausführlichkeit aufzurollen; die seit 1936 aus den
Landesmuseen zu Bonn und Trier hervorgegangenen Arbeiten über
das in Rede stehende Problem bieten eine genügende Anzahl von
schwachen Punkten, welche die Unsicherheit der Verfasser un-
mittelbar zu erkennen geben. Wohl sieht Kersten die Schwierig-
keit der Bewertung der bodenständigen Unterschicht, wenn er in
seinem ersten Aufsatz2 sagt: ,,In der Erkenntnis des Fortlebens
bodenständiger Elemente durch alle völkischen Erschütterungen
hindurch liegen die Grenzen der Möglichkeit einer ethnischen Zu-
weisung vorgeschichtlicher Kulturen überhaupt, denn es ist in den
seltensten Fällen eine Bestimmung möglich, welches Volkselement
auf die Dauer die Oberhand gewinnt.“ Aber er zieht hieraus nicht
die Folgerungen, und wundert sich dann darüber, daß in der für
germanisch angesprochenen Erdenburg bei Bensberg wie auch auf
1 Neuffer 1938, 2.
2 1936, 55.
bis gegen Christi Geburt hin, eine ungestörte, im Lande selbst
gewordene Entwicklung zeigen soll. Es wird ausdrücklich betont,
daß die Töpfe ein zuverlässigeres Ergebnis bevölkerungsgeschicht-
licher Art versprechen als die Metallsachen. „Haben für Schu-
macher entsprechend ihrem überragenden Anteil an der Zusam-
mensetzung des damaligen Fundstoffes die Bronzen die Blick-
richtung bestimmt, so ist jetzt mit dem reichen keramischen Fund-
stoff, den die Siedlungsgruben geliefert haben, ein Material ge-
wonnen, das vor den Bronzen den Vorzug der stärkeren Boden-
gebundenheit aufweist, für die Beurteilung von Stammeswanderun-
gen also von vornherein geeigneter ist als jene“1. Natürlich hat
diese Sprache der keramischen Typentafeln etwas Bestechendes;
aber es fragt sich doch sehr, ob damit auch die hinter ihnen stehen-
den Menschen so unbedingt sicher gefaßt werden können, und ob
nicht die an sich berechtigte Neigung der heutigen Prähistorie, mit
einer bodengebundenen, Völkerbewegungen überdauernden Schicht
von Menschen zu rechnen, hier in einer reichlich schematischen
Form zum Ausdruck kommt. Sodann fällt es auf, daß angesichts
dieser Herausstellung der Bodenständigkeit doch niemals von den
Nachkommen der bronzezeitlichen Bewohner des Landes die Rede
ist, daß vielmehr diese letzteren, in denen doch das ganze bäuer-
liche Neolithikum blutsmäßig weiterlebt, einfach ausgelöscht er-
scheinen.
Aber man braucht diese Einwände methodischer Art gar nicht
erst in aller Ausführlichkeit aufzurollen; die seit 1936 aus den
Landesmuseen zu Bonn und Trier hervorgegangenen Arbeiten über
das in Rede stehende Problem bieten eine genügende Anzahl von
schwachen Punkten, welche die Unsicherheit der Verfasser un-
mittelbar zu erkennen geben. Wohl sieht Kersten die Schwierig-
keit der Bewertung der bodenständigen Unterschicht, wenn er in
seinem ersten Aufsatz2 sagt: ,,In der Erkenntnis des Fortlebens
bodenständiger Elemente durch alle völkischen Erschütterungen
hindurch liegen die Grenzen der Möglichkeit einer ethnischen Zu-
weisung vorgeschichtlicher Kulturen überhaupt, denn es ist in den
seltensten Fällen eine Bestimmung möglich, welches Volkselement
auf die Dauer die Oberhand gewinnt.“ Aber er zieht hieraus nicht
die Folgerungen, und wundert sich dann darüber, daß in der für
germanisch angesprochenen Erdenburg bei Bensberg wie auch auf
1 Neuffer 1938, 2.
2 1936, 55.