Metadaten

Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0048
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
48

E. Wahle:

ihre Benützung sind damals, als Kossinna mit seinen ethnischen
Deutungen frühgeschichtlicher Kulturprovinzen an die Öffentlich-
keit trat und auf diesem Wege auch das Indogermanenproblem zu
lösen versuchte, manche Bedenken geäußert worden. Wenn nun
jetzt in den drei angeführten Beispielen die genannten methodi-
schen Grundsätze versagen, dann befindet sich die Prähistorie
genau an derjenigen Stelle, an der die damals laut gewordene,
vor allem in Ed. Meyer verkörperte Kritik sie schon stehen sah.
Es gilt also zunächst festzustellen, wie die frühgeschichtliche For-
schung zu den von Kossinna angewandten Verfahren gekommen
ist und in welchem Umfang diese auch unserer heutigen, an den
drei Beispielen geschulten Kritik standzuhalten vermögen. Weiter-
hin aber muß ermittelt werden, was sich aus jenen drei Beispielen
an Besonderem für die Deutung des archäologischen Stoffes und
die Auffassung des frühgeschichtlichen Lebens überhaupt ergibt.
Die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit eines Fundes
oder einer Fundgruppe ist so alt wie die Prähistorie selbst1. Wollte
das Fach auf ihre Beantwortung keinen Wert legen, so würde es
sich selbst aufgeben, denn es steht hier vor einem seiner ersten
und letzten Probleme. Aus dem Entwicklungsgang der Früh-
geschichtsforschung geht hervor, daß nicht eine einzige Generation
von Forschern darauf verzichtet hat, sich an diesem Problem zu
versuchen. Indem es aber jede von ihnen mit den ihr zur Ver-
fügung stehenden Mitteln unternahm und diese langsam verbessert
wurden, werden die heute angewendeten Gesichtspunkte lediglich
zu einem Gliede in der Kette fortlaufender Weiterbildung der
Methode.
Zu den frühen Beispielen planmäßiger Untersuchung vor-
geschichtlicher Grabhügel gehört diejenige, die zu Beginn des
18. Jahrhunderts im Aufträge des Landgrafen Karl von Hessen-
Kassel auf der Maderheide stattgefunden hat. Sie förderte Gräber
zutage, die wir Heutigen der jüngsten Steinzeit einreihen; der
Berichterstatter über jene Grabung, J. H. Schmincke, weist sie
aber den Chatten zu2, die nach Ausweis der antiken Schriftsteller
1 Allerdings nimmt Kossinna für sich in Anspruch, ,,den Funden die
Nationalität wiedergegeben zu haben“. Aber das ist schon vor ihm geschehen;
sein Verdienst besteht nicht darin, daß er die Methode dieser Betrachtung
gefördert hätte, er hat sie lediglich in größerem Umfang angewendet.
2 J. H. Schmincke Dissertatio historica de urnis sepulchralibus et armis
lapideis veterum Cliattorum. Marburg 1714. Vgl. dazu: J. Boehlai und
F. v. Gilsa, Neolithische Denkmäler aus Hessen, 1898, 17 ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften