54
E. Wahle:
hunderte n. Chr., der „Glanzperiode der dortigen Urzeit“, nicht
weniger als vier „wesentlich verschiedene Distrikte unterscheiden
und feststellen, die zu gleicher Zeit von verschiedenen Stämmen,
wenn nicht gar Nationalitäten bewohnt waren. Das Inventar in
jedem dieser Bezirke ist ein in sich einheitliches, von dem der
benachbarten aber in vielen wichtigen Punkten verschiedenes“.
Um dieselbe Zeit kommt man in dem benachbarten Ostbaltikum
zu entsprechenden Feststellungen; „das Problem, wie weit sich
das jüngereisenzeitliche Material der Ostseeprovinzen auf gewisse
ethnische Gruppen verteilen läßt, wird in seinen Hauptzügen durch
R. Hausmann gelöst, der sich dabei vornehmlich auf die ethno-
graphischen Arbeiten A. Bezzenbergers und Bielensteins stüt-
zen kann“.1 Und ferner scheidet noch vor dem Ausgang des Jahr-
hunderts M. Weigel2 den brandenburgischen Fundstoff der ersten
Jahrhunderte n. Chr. durch eine nordsüdlich verlaufende, das
ganze Norddeutsche Tiefland betreffende Grenze. Er sieht hier „die
Gebiete der suevischen und vandalischen Völkerstämme“ als erster
in ihrer archäologischen Eigenart3, und befindet sich damit auf
einem Wege, den die Folgezeit dann weiter ausbaut.
Überall wird hier als Träger einer Kulturprovinz, d. h. eines
Bereiches einheitlicher Funde, auch ein geschlossenes Volkstum an-
genommen. Zwar hat noch niemand bewiesen, daß sich die Be-
griffe Kulturkreis und Volk decken müssen, aber die im Verlaufe
fast eines Jahrhunderts gesammelten Erfahrungen machen es ver-
ständlich, daß diese Vorstellung immer mehr Raum gewinnt. Wil-
helmis Ansicht von der Zeitstellung und volklichen Zugehörigkeit
der Reihengräberfelder war nicht nur gut begründet, sondern be-
stätigt sich fortgesetzt im Laufe der Jahrzehnte; ebenso nimmt
das archäologische Bild der Slawen langsam festere Gestalt an, ge-
sellen sich zu Burgwallkeramik und Schläfenringen noch andere
1 Prähistorische Zeitschrift 5, 1913, 557 (M. Ebert); vgl. auch: Katalog
der Ausstellung zum X. archäologischen Kongreß in Riga 1896, XXI ff.
(R. Hausmann).
2 Niederlausitzer Mitteilungen 3, 1894, 16—28.
3 a. a.O. 28. Es bedeutet in diesem Zusammenhang nichts, daß Weigel,
älteren Vorstellungen folgend, die Metallsachen als provinzialrömisches Ein-
fuhrgut ansieht. Wesentlich ist hier lediglich die Beobachtung der Kultur-
grenze und ihre Deutung. Deshalb scheinen mir auch die Worte Blumes
(Mannusbibliothek Nr. 8, 1912, 1) nicht den Kern der Dinge zu treffen; sie
lassen insbesondere eine tiefere Kenntnis der älteren Deutungsversuche dieser
Art vermissen.
E. Wahle:
hunderte n. Chr., der „Glanzperiode der dortigen Urzeit“, nicht
weniger als vier „wesentlich verschiedene Distrikte unterscheiden
und feststellen, die zu gleicher Zeit von verschiedenen Stämmen,
wenn nicht gar Nationalitäten bewohnt waren. Das Inventar in
jedem dieser Bezirke ist ein in sich einheitliches, von dem der
benachbarten aber in vielen wichtigen Punkten verschiedenes“.
Um dieselbe Zeit kommt man in dem benachbarten Ostbaltikum
zu entsprechenden Feststellungen; „das Problem, wie weit sich
das jüngereisenzeitliche Material der Ostseeprovinzen auf gewisse
ethnische Gruppen verteilen läßt, wird in seinen Hauptzügen durch
R. Hausmann gelöst, der sich dabei vornehmlich auf die ethno-
graphischen Arbeiten A. Bezzenbergers und Bielensteins stüt-
zen kann“.1 Und ferner scheidet noch vor dem Ausgang des Jahr-
hunderts M. Weigel2 den brandenburgischen Fundstoff der ersten
Jahrhunderte n. Chr. durch eine nordsüdlich verlaufende, das
ganze Norddeutsche Tiefland betreffende Grenze. Er sieht hier „die
Gebiete der suevischen und vandalischen Völkerstämme“ als erster
in ihrer archäologischen Eigenart3, und befindet sich damit auf
einem Wege, den die Folgezeit dann weiter ausbaut.
Überall wird hier als Träger einer Kulturprovinz, d. h. eines
Bereiches einheitlicher Funde, auch ein geschlossenes Volkstum an-
genommen. Zwar hat noch niemand bewiesen, daß sich die Be-
griffe Kulturkreis und Volk decken müssen, aber die im Verlaufe
fast eines Jahrhunderts gesammelten Erfahrungen machen es ver-
ständlich, daß diese Vorstellung immer mehr Raum gewinnt. Wil-
helmis Ansicht von der Zeitstellung und volklichen Zugehörigkeit
der Reihengräberfelder war nicht nur gut begründet, sondern be-
stätigt sich fortgesetzt im Laufe der Jahrzehnte; ebenso nimmt
das archäologische Bild der Slawen langsam festere Gestalt an, ge-
sellen sich zu Burgwallkeramik und Schläfenringen noch andere
1 Prähistorische Zeitschrift 5, 1913, 557 (M. Ebert); vgl. auch: Katalog
der Ausstellung zum X. archäologischen Kongreß in Riga 1896, XXI ff.
(R. Hausmann).
2 Niederlausitzer Mitteilungen 3, 1894, 16—28.
3 a. a.O. 28. Es bedeutet in diesem Zusammenhang nichts, daß Weigel,
älteren Vorstellungen folgend, die Metallsachen als provinzialrömisches Ein-
fuhrgut ansieht. Wesentlich ist hier lediglich die Beobachtung der Kultur-
grenze und ihre Deutung. Deshalb scheinen mir auch die Worte Blumes
(Mannusbibliothek Nr. 8, 1912, 1) nicht den Kern der Dinge zu treffen; sie
lassen insbesondere eine tiefere Kenntnis der älteren Deutungsversuche dieser
Art vermissen.