Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 63
welche lediglich Kossinnas Anschauungen wiedergeben, sehen
C. Engel* 1 und 0. Menghin2 in der sog. siedelungsarchäologischen
Methode ein noch weitgehend offenes Problem; beide sind dem-
gemäß bestrebt, diese Betrachtungsweise zu verfeinern und auch
ihre Grenzen kennenzulernen. Beides ergibt sich für sie aus der
Erkenntnis, daß insbesondere der archäologische Ablauf der Er-
scheinungen mannigfachen Fehldeutungen ausgesetzt ist, und daß
die von Kossinna wie auch seinen Nachfolgern hier immer gerne
festgestellte Kontinuität des Volkstums ganz andere Beweise ver-
langt, als sie bis dahin erbracht worden sind.
Seitdem Montelius erstmals die Geschichte eines Volkstums
zu sehen glaubte, die seiner Meinung nach vom Beginn der jün-
geren Steinzeit an bis zur Gegenwart führen sollte, hat die Arbeit
von fast zwei Generationen eine Unmenge neuer Funde und damit
den Ausbau sowohl der typologischen Methode wie auch des Ge-
samtbildes der frühgeschichtlichen Perioden gezeitigt. Die An-
forderungen an den Stoff sind gewachsen. Wo ehedem einige
wenige archäologische Tatsachen genügten, wird jetzt eine mög-
lichst abgerundete Vorstellung von dem jeweiligen Leben und
seinen Trägern verlangt. Man fragt nach dem gesellschaftlichen
Aufbau, nach etwaigen Hintersassen und ihrer Bedeutung für den
Wandel in der leiblichen Erscheinungsform des Volksganzen, nach
der Bedeutung eines Stilwandels und dem Hintergrund auch des
langsamen Wechsels eines Bestattungsbrauches, nach Anzeichen
einer Veränderung der Lebenskraft und ihren Ursachen. Damit
sind aber auch diejenigen Ansprüche vervielfacht, die an den Nach-
weis der Kontinuität einer volklichen Lebensgemeinschaft gestellt
werden, und man versteht es, wenn die methodischen Grundsätze
Kossinnas einer Vertiefung bedürfen. Engel fragt ganz richtig,
wie man denn „zwischen Kulturprovinzen und Modeströmungen,
zwischen Stilverbreitung und Völkerwanderung unterscheide“.
Wenn er mit der raschen Wirksamkeit von Einflüssen rechnet, „die
zu einem völligen Umschwung der Mode bzw. des Stiles führten“,
sowie mit Lücken zwischen den aufeinander folgenden archäolo-
gischen Erscheinungen3, dann hat er Fälle im Sinn, die den oben
und ihr Begründer. Acta Universitatis Latviensis 17, 1928, 491 Bis 564,
würdigt lediglich das Lebenswerk von R. Mucke.
1 Zur Methode der Kulturgruppenforschung. In: Ders., Vorgeschichte
der altpreußischen Stämme 1, 1935, 19—29.
2 S. oben die Aufsätze von 1935 und 1936.. 3 a.a. O. 21 u. 24.
welche lediglich Kossinnas Anschauungen wiedergeben, sehen
C. Engel* 1 und 0. Menghin2 in der sog. siedelungsarchäologischen
Methode ein noch weitgehend offenes Problem; beide sind dem-
gemäß bestrebt, diese Betrachtungsweise zu verfeinern und auch
ihre Grenzen kennenzulernen. Beides ergibt sich für sie aus der
Erkenntnis, daß insbesondere der archäologische Ablauf der Er-
scheinungen mannigfachen Fehldeutungen ausgesetzt ist, und daß
die von Kossinna wie auch seinen Nachfolgern hier immer gerne
festgestellte Kontinuität des Volkstums ganz andere Beweise ver-
langt, als sie bis dahin erbracht worden sind.
Seitdem Montelius erstmals die Geschichte eines Volkstums
zu sehen glaubte, die seiner Meinung nach vom Beginn der jün-
geren Steinzeit an bis zur Gegenwart führen sollte, hat die Arbeit
von fast zwei Generationen eine Unmenge neuer Funde und damit
den Ausbau sowohl der typologischen Methode wie auch des Ge-
samtbildes der frühgeschichtlichen Perioden gezeitigt. Die An-
forderungen an den Stoff sind gewachsen. Wo ehedem einige
wenige archäologische Tatsachen genügten, wird jetzt eine mög-
lichst abgerundete Vorstellung von dem jeweiligen Leben und
seinen Trägern verlangt. Man fragt nach dem gesellschaftlichen
Aufbau, nach etwaigen Hintersassen und ihrer Bedeutung für den
Wandel in der leiblichen Erscheinungsform des Volksganzen, nach
der Bedeutung eines Stilwandels und dem Hintergrund auch des
langsamen Wechsels eines Bestattungsbrauches, nach Anzeichen
einer Veränderung der Lebenskraft und ihren Ursachen. Damit
sind aber auch diejenigen Ansprüche vervielfacht, die an den Nach-
weis der Kontinuität einer volklichen Lebensgemeinschaft gestellt
werden, und man versteht es, wenn die methodischen Grundsätze
Kossinnas einer Vertiefung bedürfen. Engel fragt ganz richtig,
wie man denn „zwischen Kulturprovinzen und Modeströmungen,
zwischen Stilverbreitung und Völkerwanderung unterscheide“.
Wenn er mit der raschen Wirksamkeit von Einflüssen rechnet, „die
zu einem völligen Umschwung der Mode bzw. des Stiles führten“,
sowie mit Lücken zwischen den aufeinander folgenden archäolo-
gischen Erscheinungen3, dann hat er Fälle im Sinn, die den oben
und ihr Begründer. Acta Universitatis Latviensis 17, 1928, 491 Bis 564,
würdigt lediglich das Lebenswerk von R. Mucke.
1 Zur Methode der Kulturgruppenforschung. In: Ders., Vorgeschichte
der altpreußischen Stämme 1, 1935, 19—29.
2 S. oben die Aufsätze von 1935 und 1936.. 3 a.a. O. 21 u. 24.