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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0079
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen

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man dem Waffenfähigen günstigstenfalls seine unmittelbare Aus- _
rüstung für den Kampf hineinlegt. Und wissen wir von der ge-
schichtlichen Bedeutung eines Childerich deshalb mehr, weil wir
sein Grab besitzen? Das fürstliche Inventar dieser Bestattung, die
sich insbesondere durch den goldenen Siegelring ausweist, erläutert
natürlich viele Einzelheiten der Gesittung dieser Zeit und gibt
einen Einblick in die fürstliche Hofhaltung; aber die in mannig-
facher Hinsicht dunkle Persönlichkeit wird uns damit doch keines-
wegs greifbarer1. Es liegt ein eigener Reiz darin, einen Ahn der
Herren von Wirtemberg, die in den Schriftquellen erstmals im
Jahre 1081 begegnen, in dem Toten aus einem alemannischen
Fürstengrabe des ausgehenden 5. Jahrhunderts n. Chr. zu sehen
und die zwischen beiden Daten klaffende Lücke von 6 Jahrhun-
derten mit Hinweisen topographischer und ortsgeschichtlicher Art
zu überbrücken2. Natürlich soll der Wert einer derartigen Kom-
bination, die in dem vorliegenden Fall sogar in bezug auf die Me-
thode von Bedeutung ist, nicht geschmälert werden; aber es fragt
sich doch, welches Gebiet außer der Landesgeschichte hierbei einen
Gewinn davonträgt. Selbstverständlich kann dieser fürstliche Grab-
inhalt ebenso mannigfach ausgeschöpft werden wie jeder andere,
und es sei in diesem Zusammenhang beispielsweise daran erinnert,
daß den germanischen Fürstengräbern der Bronzezeit dasjenige
Kultgerät eigentümlich ist, das auf eine priesterliche Würde schlie-
ßen läßt, und das damit auf das Problem der Beziehungen zwi-
schen weltlicher und geistlicher Macht verweist. Aber das Beson-
dere der geschichtlichen Leistung des betreffenden Fürsten selbst
bleibt uns nach wie vor verschlossen. Nur ganz allgemein können
wir uns ihre Wirksamkeit vorstellen, wenn der größere archäolo-
gische Zusammenhang eines Fürstengrabes eine Gebietsausweitung
oder eine Wanderbewegung zu erkennen gibt. Dann ist der Erfolg
greifbar, an dessen Erringung er beteiligt gewesen sein dürfte, und
wir suchen uns das Bild des namenlosen Vorgängers eines Ariovist
oder Alarich zu formen. Doch wird damit insofern wiederum nichts
gewonnen, als wir nicht die Persönlichkeit selbst greifen, sondern

1 Die ausführlichsten Angaben über diesen Fund bietet innerhalb des
deutschen Schrifttums noch immer L. Lindenschmit, Handbuch der deutschen
Alterthumskunde I, 1880—89, 68ff.
2 O. Paret, Die frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart und
ihre Zeit (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Heft 2), 1937,
116—130.
 
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