Metadaten

Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0091
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur ethnischen Deutung’ frühgeschichtlicher Kulturprovinzen

91

Stil der Merowingerzeit und dem Inventar derjenigen Reihen-
gräber, welche die Besitzergreifung der ehemals provinzialrömischen
Grenzlande anzeigen, ergibt sich aus eben diesem letzteren Vor-
gang. Denn der Landnahme folgt die Auseinandersetzung mit der
provinzialen Antike; aus dem geschichtlichen Hintergrund ent-
wickelt sich ein zeitgebundenes Zusammenwirken der Kräfte. Die
Menge des hier in Erscheinung tretenden Gestaltungswillens ergibt
einen archäologischen Formenkreis, der noch einmal die innere Ein-
heit des Germanentums von Skandinavien bis Nordafrika und von
der Themse bis zur Krim offenbart, bevor die bodenständigen
Komponenten der Entwicklung neue Zustände herbeiführen.
Das Formengut der frühen Merowingerzeit ist uns ein Zeugnis
des großen geschichtlichen Vorganges, der da soeben stattgefunden
hat. Archäologisch gesehen, stellt es also etwas Neues dar, das
von der Seite der germanischen Kulturgeschichte her in vieler
Hinsicht als ein Fortschritt gewertet werden kann, während es
vom Standpunkt des antiken Könnens aus das Gegenteil bedeutet.
Aber es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, das
Neue zu bewerten und damit die absolute Leistung derjenigen
Werkstätten zu beurteilen, die an seiner Heraufführung beteiligt
sind. Hier steht lediglich die schöpferische Kraft selbst im Vorder-
gründe des Interesses. Daneben aber gibt es nun auch Fälle, in
denen der Schwerpunkt bei der praktischen Auswirkung des neu
Geschaffenen liegt. Wer an der Vervollkommnung des geläufigen
Gerätinventares arbeitet, kann nämlich dann zum Erfinder werden,
wenn die Neuerung einen wirklichen Fortschritt darstellt.
Den vielen Erfindern der geschichtlichen Zeit, die wir ihrem
Namen und ihrer Leistung nach kennen, geht in der Bronzezeit
derjenige Kopf voraus, welcher das Tüllenbeil schuf. Das metallene
Beil hat zunächst ganz die Form seines steinernen Vorgängers,
doch beginnen recht bald die Versuche, vermittels einer besonderen
und im Gußverfahren ja leicht herstellbaren Ausgestaltung der
Bahn eine engere Verbindung zwischen ihr und dem Schaft zu
erzielen. So entstehen die verschiedenen Formen der Rand- und
Absatzbeile, sowie die mannigfachen Arten von Lappenbeilen. Sie
alle, die sie zeitlich zumeist nebeneinander stehen und in dem einen
Gebiet häufiger, in dem anderen seltener sind oder überhaupt
fehlen, zeugen ebenso von der Beschäftigung mit dem genannten
technischen Problem wie auch davon, daß man mit diesen Formen
praktisch arbeiten konnte. Und doch verschwinden sie alle bis auf
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften