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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0108
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108

E. Wahle :

ja auch bezeichnenderweise kaum irgendwo von einem aleman-
nischen Formenkreis, und sucht vergeblich nach einer sich scharf
gegen ihn absetzenden Typentafel der fränkischen Grabbeigaben.
Stets werden nur einzelne Formen mit den Namen von Stämmen
belehnt, wie das doppelkegelförmige Gefäß mit demjenigen der
Franken, bestimmte Gürtelbeschläge mit dem der Burgunden; auch
sprechen wir z. B. von der alemannischen Schalenurne und von der
gleicharmigen Fibel der Angelsachsen. Wenn sich hier nun weiter
ergibt, daß besondere Leistungen eines Stammes auf seine mit
den Schriftquellen nachweisbaren Grenzen keineswegs beschränkt
bleiben, dann liegt auch hier wieder die Liberlegung nahe, ob uns
nicht der Fundstoff neben den gelegentlich ermittelten Stammes-
scheiden auch solche zeigt, welche die Wirkungsbereiche der grö-
ßeren Macht veranschaulichen -— mag nun diese Macht politisch
unterbaut sein oder in der besonderen werbenden Kraft der Kunst-
werkstätten bestehen. Jedenfalls überlegt man beispielsweise, auf
welche besondere Veranlassung hin das langobardische Gebiet die
in ihm beheimateten Goldblattkreuze und noch andere Dinge in
einen bestimmten Teil der Zone nördlich der Alpen ausgestrahlt
hat; man möchte auch mit der Möglichkeit rechnen, daß sich das
politische Übergewicht der Franken in der Ausbreitung mancher
bei ihnen üblichen gewerblichen Erzeugnisse über ihre Stammes-
grenze hinaus spiegelt. „Es fällt auf, daß besonders gute Arbeiten
in Stil II [der nordischen Tierornamentik] unter den tauschierten
Beschlägplatten aus dem alten Burgunderreich vorliegen, welche
auch gute Beispiele für reine Flechtbandornamentik abgeben. Viel-
leicht hat dieses künstlerisch regsame Gebiet auf den fränkisch-
langobardischen Kreis und darüber hinaus in stärkerem Maße ge-
wirkt, als heute von der Forschung angenommen wird“1.
In den Fundprovinzen kommt also die Lebenskraft zur Gel-
tung, die in einem geschlossenen Volkstum oder auch nur in einem
seiner größeren Glieder enthalten ist. Sie kann demgemäß über
die Grenzen dieser Gemeinschaft hinauswirken und uns damit die
ethnische Scheidelinie verwischen. Die Berechtigung dieser an der
Grenze von den Schriftquellen gegen die schriftlose Zeit hin ge-
wonnenen Erkenntnis möge noch an einem modernen Beispiel be-
kräftigt werden, welches ein um das hier behandelte Problem
bemühter Prähistoriker, C. A. Nordman, in die Waagschale legt2.
1 Vergangenheit und Gegenwart 27, 1937, 375 (H. Zeiss).
2 Mannus 29, 1937, 480.
 
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