Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen
115
sen gelten kann. In ganz Nordeuropa vorkommend, greift er von
hier auf Ostdeutschland über und erscheint in einem offenbar
späten Ausläufer auch auf den Britischen Inseln und am Nieder-
rhein1. Die Träger dieses Kreises gründen ihr Dasein nur aus-
nahmsweise auf Ackerbau und Viehzucht, und so weist ihr archä-
ologisches Bild schon deutlich auf das hin, was wir in den vor-
bäuerlichen Zeiten der Menschheitsgeschichte zu erwarten haben.
Hier fehlt den Lebensgemeinschaften diejenige persönliche Prägung
des Daseins, welche die Voraussetzung ihrer Greifbarkeit in dem
Fundnachlaß wäre; der von ihnen auf uns kommende Nachlaß ist
so gering, daß wir allenfalls noch das Niveau der Gesittung er-
mitteln können, mehr aber nicht. Man halte sich doch immer vor
Augen, daß mit der Feststellung einer ,,grobfeinen Mischkultur“,
einer Mikrolithik oder sonst einer mesolithischen Industrie außer-
ordentlich wenig gewonnen ist. Erst mit der bäuerlichen Lebens-
form setzt diejenige äußere Ausgestaltung des Daseins ein, welche
in dem archäologischen Stoff Gestalt annimmt und neben die zeit-
liche Gruppierung des Materials auch die räumliche treten läßt.
Diese vorbäuerlichen Jahrzehntausende haben die Grundlagen
der menschlichen Gesittung geschaffen; in dem Fruchtbarkeits-
zauber, der in wenig veränderter Form in der Folgezeit weiter-
lebt, zeigt sich ihre Gedankenwelt. Aber genau so, wie uns der
Weg zu den großen Denkern und Erfindern dieser Frühzeit ver-
schlossen bleibt, so auch derjenige zu ihren Lebensgemeinschaften.
Je weiter zurück man geht, umso einseitiger wird der Fundstoff
und umso kleiner auch die Zahl der Fundplätze; anderseits ver-
größern sich aber zusehends die Bereiche der einheitlich erschei-
nenden Gesittung, bis das „Urgerät“ allein von der menschlichen
Tätigkeit zeugt. Der kleine, nur sehr begrenzte Bezirke des Tuns
und Denkens der Jungpaläolithiker veranschaulichende Kreis von
Funden ist noch groß gegenüber demjenigen des vorangegangenen
ersten Abschnittes der Altsteinzeit. Ganz einerlei, ob für diese
frühen Zeiten menschlicher Geschichte ein ständiges Nebeneinander
von Knochen-, Klingen- und Faustkeilkultur angenommen wird
oder nicht — die für sie in Betracht kommenden Bereiche erstrek-
ken sich zonenartig über den eurasiatisch-afrikanischen Länder-
1 M. Ebert, Reallexikon der Vorgeschichte 6, 1926, 203ff. (A. Euro-
paei s), 9, 1927, 25ff. (G. Ekholm); 21. Bericht der Römisch-germanischen
Kommission 1931 (1933), 44ff. (T. D. Kexdrick); Germania 22, 1938, 71 ff.
(W. Kerbten).
8*
115
sen gelten kann. In ganz Nordeuropa vorkommend, greift er von
hier auf Ostdeutschland über und erscheint in einem offenbar
späten Ausläufer auch auf den Britischen Inseln und am Nieder-
rhein1. Die Träger dieses Kreises gründen ihr Dasein nur aus-
nahmsweise auf Ackerbau und Viehzucht, und so weist ihr archä-
ologisches Bild schon deutlich auf das hin, was wir in den vor-
bäuerlichen Zeiten der Menschheitsgeschichte zu erwarten haben.
Hier fehlt den Lebensgemeinschaften diejenige persönliche Prägung
des Daseins, welche die Voraussetzung ihrer Greifbarkeit in dem
Fundnachlaß wäre; der von ihnen auf uns kommende Nachlaß ist
so gering, daß wir allenfalls noch das Niveau der Gesittung er-
mitteln können, mehr aber nicht. Man halte sich doch immer vor
Augen, daß mit der Feststellung einer ,,grobfeinen Mischkultur“,
einer Mikrolithik oder sonst einer mesolithischen Industrie außer-
ordentlich wenig gewonnen ist. Erst mit der bäuerlichen Lebens-
form setzt diejenige äußere Ausgestaltung des Daseins ein, welche
in dem archäologischen Stoff Gestalt annimmt und neben die zeit-
liche Gruppierung des Materials auch die räumliche treten läßt.
Diese vorbäuerlichen Jahrzehntausende haben die Grundlagen
der menschlichen Gesittung geschaffen; in dem Fruchtbarkeits-
zauber, der in wenig veränderter Form in der Folgezeit weiter-
lebt, zeigt sich ihre Gedankenwelt. Aber genau so, wie uns der
Weg zu den großen Denkern und Erfindern dieser Frühzeit ver-
schlossen bleibt, so auch derjenige zu ihren Lebensgemeinschaften.
Je weiter zurück man geht, umso einseitiger wird der Fundstoff
und umso kleiner auch die Zahl der Fundplätze; anderseits ver-
größern sich aber zusehends die Bereiche der einheitlich erschei-
nenden Gesittung, bis das „Urgerät“ allein von der menschlichen
Tätigkeit zeugt. Der kleine, nur sehr begrenzte Bezirke des Tuns
und Denkens der Jungpaläolithiker veranschaulichende Kreis von
Funden ist noch groß gegenüber demjenigen des vorangegangenen
ersten Abschnittes der Altsteinzeit. Ganz einerlei, ob für diese
frühen Zeiten menschlicher Geschichte ein ständiges Nebeneinander
von Knochen-, Klingen- und Faustkeilkultur angenommen wird
oder nicht — die für sie in Betracht kommenden Bereiche erstrek-
ken sich zonenartig über den eurasiatisch-afrikanischen Länder-
1 M. Ebert, Reallexikon der Vorgeschichte 6, 1926, 203ff. (A. Euro-
paei s), 9, 1927, 25ff. (G. Ekholm); 21. Bericht der Römisch-germanischen
Kommission 1931 (1933), 44ff. (T. D. Kexdrick); Germania 22, 1938, 71 ff.
(W. Kerbten).
8*