Zur Chronologie der Eklogen Vergils
13
Liegt aber der Sieg im Gebiet um den Timavus noch in der Zukunft
und stehen überhaupt die illyrischen Unternehmungen Octavians im
Jahre 35 erst an ihrem Anfang11 - ganz abgesehen davon, daß die
<Taten> Octavians erst zu einem Abschluß gekommen sein werden,
wenn der Rivale Antonius ausgeschaltet ist -, so wird aus der ersten
Frage eine echte Frage nach dem Ende der kriegerischen Unternehmun-
gen und der Wunsch nach ihrem baldigen Abschluß. Wäre bei Pollio
als Adressaten das Zitat von ecl. 4,53 f. in v. 7 f.12 «tua dicere facta»
eine Übertragung vom Preis der Taten des zum Jüngling gewordenen13
Knaben der Pollio-Ekloge auf die epische Verherrlichung der vollbrach-
ten Leistungen des reifen Mannes Pollio selbst gewesen (der, geboren
76175 v. Chr., im Jahre 39 v. Chr. 36 Jahre alt war), so liegt nun eine
schwebende Gleichung zwischen jenen Taten des herangewachsenen
<puer> (ecl. 4,31-36) und den kriegerischen Unternehmungen des Jüng-
lings Octavian vor (der, geboren 63, im Jahre 35 v. Chr. 28 Jahre alt
war), die noch nicht zu ihrem Ende gekommen sind.
Ähnliches gilt für die Tragödiendichtung Octavians. Auf sie werde
ich, weil v. 10 eine ausführlichere Diskussion verlangt, und um der
Wichtigkeit der Frage willen, in einem gesonderten Paragraphen (§ 4)
eingehen.
Zu «a te principium, tibi desinam» (ecl. 8,11) hat Bowersock bereits
das Wichtige gesagt14. Die traditionelle Verwendung der Formel für
Götter und Könige15 macht sie noch geeigneter für Octavian, als sie
für Pollio gewesen wäre. Bowersock bemerkt zugleich, daß das Zitat
von v. 13 bei Quintilian, Inst. Or. X 1,92 in einer Anrede an Domitian
auch Quintilian wahrscheinlich zu einem Zeugen für die Auffassung
macht, im Original sei dieser Vers auf den (zukünftigen) Augustus be-
zogen16.
Andererseits ist einzuräumen, daß, zu Octavian gesagt, «a te prin-
cipium, tibi desinam» eine allgemeine Huldigungsformel ist, d. h. den
Sinn hat, Octavian erfülle gänzlich den Sinn Vergils bei seinem Dichten.
Bei Pollio dagegen hätte sie den konkreten Inhalt, daß Vergils buko-
lische Dichtung mit Pollio beginnt und endet. Aber diese Einräumung
11 Vgl. Appian, Illyr. 16 ff., Schmitthenner, a. O.
12 Vgl. dazu u. S. 33.
13 Vgl. Poet. Refl., S. 162 ff.
14 a. O., S. 79.
15 Ilias 9,97; Theocr., id. 17,1; vgl. das Material bei Gow, z. St.
16 Ähnlich, wenn auch in anderer Absicht Peter Levi, The Dedication to Pollio in
Virgil’s Eighth Eclogue, Hermes 94 (1966), S. 73-79, auf S. 78.
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Liegt aber der Sieg im Gebiet um den Timavus noch in der Zukunft
und stehen überhaupt die illyrischen Unternehmungen Octavians im
Jahre 35 erst an ihrem Anfang11 - ganz abgesehen davon, daß die
<Taten> Octavians erst zu einem Abschluß gekommen sein werden,
wenn der Rivale Antonius ausgeschaltet ist -, so wird aus der ersten
Frage eine echte Frage nach dem Ende der kriegerischen Unternehmun-
gen und der Wunsch nach ihrem baldigen Abschluß. Wäre bei Pollio
als Adressaten das Zitat von ecl. 4,53 f. in v. 7 f.12 «tua dicere facta»
eine Übertragung vom Preis der Taten des zum Jüngling gewordenen13
Knaben der Pollio-Ekloge auf die epische Verherrlichung der vollbrach-
ten Leistungen des reifen Mannes Pollio selbst gewesen (der, geboren
76175 v. Chr., im Jahre 39 v. Chr. 36 Jahre alt war), so liegt nun eine
schwebende Gleichung zwischen jenen Taten des herangewachsenen
<puer> (ecl. 4,31-36) und den kriegerischen Unternehmungen des Jüng-
lings Octavian vor (der, geboren 63, im Jahre 35 v. Chr. 28 Jahre alt
war), die noch nicht zu ihrem Ende gekommen sind.
Ähnliches gilt für die Tragödiendichtung Octavians. Auf sie werde
ich, weil v. 10 eine ausführlichere Diskussion verlangt, und um der
Wichtigkeit der Frage willen, in einem gesonderten Paragraphen (§ 4)
eingehen.
Zu «a te principium, tibi desinam» (ecl. 8,11) hat Bowersock bereits
das Wichtige gesagt14. Die traditionelle Verwendung der Formel für
Götter und Könige15 macht sie noch geeigneter für Octavian, als sie
für Pollio gewesen wäre. Bowersock bemerkt zugleich, daß das Zitat
von v. 13 bei Quintilian, Inst. Or. X 1,92 in einer Anrede an Domitian
auch Quintilian wahrscheinlich zu einem Zeugen für die Auffassung
macht, im Original sei dieser Vers auf den (zukünftigen) Augustus be-
zogen16.
Andererseits ist einzuräumen, daß, zu Octavian gesagt, «a te prin-
cipium, tibi desinam» eine allgemeine Huldigungsformel ist, d. h. den
Sinn hat, Octavian erfülle gänzlich den Sinn Vergils bei seinem Dichten.
Bei Pollio dagegen hätte sie den konkreten Inhalt, daß Vergils buko-
lische Dichtung mit Pollio beginnt und endet. Aber diese Einräumung
11 Vgl. Appian, Illyr. 16 ff., Schmitthenner, a. O.
12 Vgl. dazu u. S. 33.
13 Vgl. Poet. Refl., S. 162 ff.
14 a. O., S. 79.
15 Ilias 9,97; Theocr., id. 17,1; vgl. das Material bei Gow, z. St.
16 Ähnlich, wenn auch in anderer Absicht Peter Levi, The Dedication to Pollio in
Virgil’s Eighth Eclogue, Hermes 94 (1966), S. 73-79, auf S. 78.