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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 6. Abhandlung): Zur Chronologie der Eklogen Vergils: vorgelesen am 27. April 1974 von Viktor Poeschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45449#0018
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Ernst A. Schmidt

vention Euripides im Unterschied zu Sophokles als paradigmatisch
galt. Und dann kann in dem Satz «sola Sophocleo . . . digna . . . cotur-
no», der mit «sola» eine spezifische Aussage macht, «Sophocleo» nicht
für <attisch> (insofern als Sophokles die attische Tragödie repräsen-
tierte) stehen, weil der tragische Kothurn schon selbst attisch ist. Der
Kothurn der gefeierten Tragödien verlangt hier nicht ein Epitheton,
sondern eine Spezifizierung, sonst ist der Satz leer. Die Bedeutung die-
ser spezifischen Aussage gibt Quintilian8: «namque is (sc. Euripides)
et sermone (quod ipsum reprehendunt quibus gravitas et cotburnus
et sonus Sophocli videtur esse sublimior) magis accedit oratorio generi
. . .» Der sophokleische Kothurn ist (von der Stoffwahl abgesehen)
auch ein Stilurteil, wie nicht anders «Aeschyleo . . . coturno» ein Stil-
urteil bei Properz 2,34,41 darstellt. Die Bewertung der Tragödien Pol-
lios nach ihrem Stil mag zwischen seinen Zeitgenossen und der Zeit
Quintilians kontrovers sein; das Urteil über den Stil, verstanden in sei-
nem beschreibenden und zuordnenden Aspekt, dürfte sich kaum um-
gekehrt haben. Ob also das vergilische Stilurteil in ecl. 8 den Tragödien
Pollios angemessen ist, die nach dem Urteil Marcus Apers9 bei Tacitus
wie seine Reden <hart und trockem waren und die Quintilian schwei-
gend übergeht, ist fraglich.
Ich bin mir wohl bewußt, daß ich im Zusammenhang mit der tragi-
schen Produktion Pollios und Octavians meine Leser am schwersten
überzeugen kann. Zu sehr ist uns allen der Tragödiendichter Pollio
eine große Wirklichkeit und Octavian eine literarisch unbedeutende
Figur. Fragen wir uns aber, worauf der Ruhm der Tragödien Pollios
beruht, so nennen wir an erster Stelle ecl. 8: dies ist der wichtigste, der
entscheidende Beleg unseres Urteils. Daß bei unserer Frage zunächst
von ihm abgesehen wird, wird jeder als billige methodische Forderung
zugestehen. Es bleiben in der gesamten Literatur drei Belege für Pollios
Tragödiendichtung übrig, zwei zeitgenössische und ein späterer: Hör.,
c. II 1,9-12; sat. I 10,42f.; Tac., Dial. 21,6-8. «De ses oeuvres tragiques
il ne reste meme pas un titre. Seuls quelques temoignages d’ordre
general affirment qu’il usa de ce genre» sagt Andre10 selbst trotz Ein-
schlusses von ecl. 8,9 f. Das Attribut «Cecropius», welches der Kothurn
der Tragödien Pollios in der Horazode erhält, ist gewählter Ausdruck
für «attisch» und steht als solcher offenbar einerseits als episches Epi-
8 Inst. Or. 10,1,68. Vgl. Dio Chrysost., or. 52,15 (μεγαλοπρέπεια des Sophokles).
9 Tac., Dial. 21,6-8. Vgl. Norden, Antike Kunstprosa I 261 f.
10 J. Andre, La vie et l’oeuvre d’Asinius Pollion, Paris 1949, S. 31.
 
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