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Ernst A. Schmidt
Octavians erheben mit ihrer Teilnahme einen Anspruch, dem dieser
sich durchaus stellt, ja, im Fall der Erkundigung des Varius, schon ge-
stellt hat: er hat sein Stück vernichtet. Wenn Aper von Caesar und Bru-
tus sagt: «fecerunt enim et carmina et in bibliothecas rettulerunt, non
melius quam Cicero, sed felicius, quia illos fecisse pauciores sciunt»19,
so gilt vielleicht von Octavians <Aiax> ein «melius» insofern, als sein
Autor die Urteilskraft besaß, ihn nicht einer Bibliothek anzuvertrauen,
ein «felicius», weil er Freunde mit hohem Anspruch besaß. Octavian,
Vergil und Varius scheinen ähnliche Kunstgesinnung gehabt zu haben.
Vergil hat schon vor Jahren in ecl. 9,35 Varius als unerreichtes Modell
gepriesen20, und in diesem Gedicht nun, in ecl. 8, zitiert er huldigend
einen Vers von ihm21. Seinen <Thyestes> hat Augustus hoch geschätzt22.
Dieses Stück gilt, neben und vor Ovids Medea, Quintilian und Taci-
tus als beste römische Tragödie23.
Falls Vergil auf den <Aiax> Octavians anspielt, kann «Sophocleo
coturno» recht eigentlich und auch ganz einfach verstanden werden.
Denn die von Sueton und Macrobius berichtete Anekdote (Octavian
sagt: «in spongiam incubuit») setzt voraus, daß das Stück den Stoff
behandelte, den auch die gleichnamige Tragödie des Sophokles vor-
führt. Mit dieser Stoffwahl steht Octavian auch in alter römischer Tra-
dition: schon Livius Andronicus und Ennius hatten Aiastragödien ge-
schrieben24. Und mit der Imitation eines sophokleischen Stückes folgt
Octavian zugleich dem Vorbild seines vergöttlichten Vaters. Caesar
hatte in seiner Jugend einen <Oedipus> verfaßt25.
Die Suda26 vermerkt zu Augustus: εγραψε . . . καί τραγωδίαν Αίαντός
τε καί Άχιλλέως. Bardon27 meint dazu, es handle sich um nur eine Tra-
gödie, nämlich den Aias auch der anderen Testimonien. Die Notiz gebe
nur einen Kommentar zum Inhalt dieser Tragödie. Ihr Stoff sei, wie der
19 Tac., Dial. 21,6.
20 Vgl. dazu Vf., Poesia e politica nella nona egloga di Virgilio, Maia 24 (1972),
S.99-119, hier S. 113 f.
21 ecl. 8,88 = Varius, fr. 4,6 Morel.
22 Vgl. Schanz-Hosius, Gesch. d. röm. Lit. II, S. 162 f. - Einen <Thyestes> haben so-
wohl Sophokles als auch Euripides geschrieben.
23 Quint., Inst. Or. X 1,98; Tac., Dial. 12,5f., wo Asinius Pollio und Messalla als
Redner Ovid und Varius als Tragödiendichtern gegenübergestellt sind.
24 Vgl. Bardon, a. O., S. 15.
25 Vgl. Suet., Div. Iul. 56,7.
28 s. v. Αύγουστος Καϊσαρ.
27 a. O. - Wie Bardon schon Dindorf, Soph. fragm., Oxford 1860, S. 208 (vgl.
Schanz-Hosius, a. O., S. 10).
Ernst A. Schmidt
Octavians erheben mit ihrer Teilnahme einen Anspruch, dem dieser
sich durchaus stellt, ja, im Fall der Erkundigung des Varius, schon ge-
stellt hat: er hat sein Stück vernichtet. Wenn Aper von Caesar und Bru-
tus sagt: «fecerunt enim et carmina et in bibliothecas rettulerunt, non
melius quam Cicero, sed felicius, quia illos fecisse pauciores sciunt»19,
so gilt vielleicht von Octavians <Aiax> ein «melius» insofern, als sein
Autor die Urteilskraft besaß, ihn nicht einer Bibliothek anzuvertrauen,
ein «felicius», weil er Freunde mit hohem Anspruch besaß. Octavian,
Vergil und Varius scheinen ähnliche Kunstgesinnung gehabt zu haben.
Vergil hat schon vor Jahren in ecl. 9,35 Varius als unerreichtes Modell
gepriesen20, und in diesem Gedicht nun, in ecl. 8, zitiert er huldigend
einen Vers von ihm21. Seinen <Thyestes> hat Augustus hoch geschätzt22.
Dieses Stück gilt, neben und vor Ovids Medea, Quintilian und Taci-
tus als beste römische Tragödie23.
Falls Vergil auf den <Aiax> Octavians anspielt, kann «Sophocleo
coturno» recht eigentlich und auch ganz einfach verstanden werden.
Denn die von Sueton und Macrobius berichtete Anekdote (Octavian
sagt: «in spongiam incubuit») setzt voraus, daß das Stück den Stoff
behandelte, den auch die gleichnamige Tragödie des Sophokles vor-
führt. Mit dieser Stoffwahl steht Octavian auch in alter römischer Tra-
dition: schon Livius Andronicus und Ennius hatten Aiastragödien ge-
schrieben24. Und mit der Imitation eines sophokleischen Stückes folgt
Octavian zugleich dem Vorbild seines vergöttlichten Vaters. Caesar
hatte in seiner Jugend einen <Oedipus> verfaßt25.
Die Suda26 vermerkt zu Augustus: εγραψε . . . καί τραγωδίαν Αίαντός
τε καί Άχιλλέως. Bardon27 meint dazu, es handle sich um nur eine Tra-
gödie, nämlich den Aias auch der anderen Testimonien. Die Notiz gebe
nur einen Kommentar zum Inhalt dieser Tragödie. Ihr Stoff sei, wie der
19 Tac., Dial. 21,6.
20 Vgl. dazu Vf., Poesia e politica nella nona egloga di Virgilio, Maia 24 (1972),
S.99-119, hier S. 113 f.
21 ecl. 8,88 = Varius, fr. 4,6 Morel.
22 Vgl. Schanz-Hosius, Gesch. d. röm. Lit. II, S. 162 f. - Einen <Thyestes> haben so-
wohl Sophokles als auch Euripides geschrieben.
23 Quint., Inst. Or. X 1,98; Tac., Dial. 12,5f., wo Asinius Pollio und Messalla als
Redner Ovid und Varius als Tragödiendichtern gegenübergestellt sind.
24 Vgl. Bardon, a. O., S. 15.
25 Vgl. Suet., Div. Iul. 56,7.
28 s. v. Αύγουστος Καϊσαρ.
27 a. O. - Wie Bardon schon Dindorf, Soph. fragm., Oxford 1860, S. 208 (vgl.
Schanz-Hosius, a. O., S. 10).