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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 6. Abhandlung): Zur Chronologie der Eklogen Vergils: vorgelesen am 27. April 1974 von Viktor Poeschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45449#0026
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Ernst A. Schmidt

stand, daß ecl. 1 keinmal ecl. 5, 3 oder 2 zitiert, während ecl. 9 dies
tut, ein zusätzliches Argument dafür, daß man ecl. 1,73: «insere nunc,
Meliboee, piros, pone ordine vitis» als Zitat von ecl. 9,50: «insere,
Daphni, piros: carpent tua poma nepotes» und nicht umgekehrt auf-
zufassen hat.
Nach Aufstellung der Reihenfolge der fünf Gedichte 2, 3, 5, 9, 1,
wäre der nächste Schritt zu gewinnen durch die Suche nach einem Zitat
aus dem letzten Gedicht dieser Reihe, aus ecl. 1, in einem anderen Ge-
dicht oder durch das Zitat eines anderen Gedichts in ecl. 4, da Posterio-
rität gegenüber 1 oder Priorität gegenüber 4 allein eine Zwischenstel-
lung begründen können. Mit dieser Fragestellung greife ich allerdings
insofern den Ergebnissen der folgenden Untersuchung vor, als ich
schon einbeziehe, daß die nicht fest datierten Gedichte 6, 7 und 10 nicht
irgendwo vor oder zwischen die zu einer Folge gefügten fünf Eklogen
2,3,5,9,1 gehören.
6. Zwei Verse der ersten Ekloge sind ähnlich auch in anderen Stük-
ken anzutreffen. Ecl. 6,8: «agrestem tenui meditabor harundine mu-
sam» entspricht ecl. 1,2: «silvestrem tenui musam meditaris avena»;
ecl. 7,44: «ite domum pasti, si quis pudor, ite iuvenci» entspricht ecl.
1,74: «ite meae, quondam felix pecus, ite capellae».
7. Beide Gemeinsamkeiten sind an und für sich nach ihrem zeitlichen
Verhältnis nicht zu ordnen. Das Programm bukolischen Dichtens in
ecl. 6 ist nicht eo ipso später als der aktuelle Vollzug in ecl. 1 (was etwa
auch das Verhältnis von ecl. 9,19 f. zu ecl. 5,40 - oben Nr. 2 -, des
aktuellen Tuns zum Auftrag, lehrt). Und daß Thyrsis in ecl. 7 Motive
anderer Eklogen persifliert, ist eine Interpretation, welche die Posterio-
rität dieses Gedichts voraussetzt. Erst im Verein mit anderen Berührun-
gen werden die genannten Gemeinsamkeiten sprechend. Ecl. 6 ist an
Varus gerichtet und greift so das Versprechen eines Preislieds von ecl.
9,27-29 auf. Ist somit ecl. 6 später als ecl. 9, so läßt sie sich doch kaum
zwischen 9 und 1 entstanden denken.
8. Auch ecl. 7 ist später als ecl. 9. Die Vertreter der Frühdatierung
von ecl. 7 (Snell, Becker, Berg, a. O., S. 6 u. a.) haben das <Lycidas-
Motiv> in der ersten und letzten Strophe des Thyrsis übersehen
(«poeta»-«vates»; v. 67: «saepius at si me, Lycida formose, revisas»;
Ringkomposition). Diese Strophen und ihr Zusammenhang sind ohne
die Verse im Zentrum der neunten Ekloge nicht denkbar oder auch
nur verständlich6. Ecl. 7,25-28 ist also eine Persiflage der Lycidasverse
G Vgl. Schmidt, Poet. Refl., S. 234 und Poesia e politica, S. 106 f., 112 mit Anm. 27,
115 mit Anm. 34.
 
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