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Ernst A. Schmidt
ecl. 4 zur frühen bukolischen Welt. Ecl. 2 lieferte das Material für
Syrinxspiel19 als Gefolgschaft Pans, des Erfinders, ecl. 5 für die Ver-
bindung von Pan und Hirten, ecl. 4 Arkadien als Welt Pans und musi-
schen Empfänger seiner Kunst. Auch das Selbstbewußtsein des Künst-
lers kommt aus der vierten Ekloge.
Die beiden Eklogen 10 und 7 folgen auch darin ecl. 8, daß sie den
Sänger bzw. den Sieger im Sangeswettstreit zum Ziegenhirten machen,
ohne ihn doch, wie auch ecl. 8 nicht, Ziegenhirt zu nennen20. Vom Sän-
ger des ersten Liedes in ecl. 8 wissen wir, wie gesagt, nicht, was für ein
Hirt er ist. Die Rolle aber, die er annimmt, ist die eines arkadischen
Ziegenhirten, nämlich eines Hirten, dessen tibia zu maenalischen Ver-
sen anhebt und dessen Ziegen (v. 33 f.) seiner Geliebten unangenehm
sind, eine Kombination also von Pan/Arkadien und id. 3 (vgl. v. 19 und
34-36)21. Der Sänger von ecl. 10 ist kein Arkader, aber ein Ziegenhirt;
dies, obwohl der Sänger des theokritischen Daphnisliedes in id. 1 ein
Schafhirt ist. Der Sieger in ecl. 7 ist Arkader und Ziegenhirt zugleich,
letzteres auch nach id. 5. So ergibt sich eine konsequente Entwicklungs-
kette: zunächst ist nur die Rolle im Lied eines von zwei Sängern Arka-
der und Ziegenhirt, dann der Sänger schon des ganzen Gedichts Zie-
genhirt, Arkadien aber nur in seinem Lied, schließlich ist ein Sänger
selbst Ziegenhirt, doch nicht nur er, sondern auch sein Gegner sind
Arkader, letzteres nun schon mit solcher Prägnanz der Bedeutung, daß
Arkadien als Lokal fortfallen und Oberitalien mit dem Mincius dafür
eintreten konnte22.
19 Zur Differenz zwischen fistula, calami = σΰριγξ einerseits und tibia, avena, sti-
pula, calamus = μόναυλος andererseits vgl. Peter L. Smith, Vergil’s <Avena> and
the Pipes in Pastoral Poetry, ΤΑΡΑ 101 (1970), S. 497-510. Das Nebeneinander
von «tibia» (Schaltvers) und Syrinx (v. 24; vgl. v. 33) in ecl. 8 ist wohl als «Kon-
tamination) von ecl. 1,2 / 6,8 und id. 1,128 f. / 11,38, / ecl. 2,31 ff. / 3,22.25 f. auf-
zufassen. Vgl. auch u. Anm. 21 und 25.
20 Das Wort «caprarius» ist in den Eklogen nicht belegt. Abgesehen von der Schwie7
rigkeit seiner metrischen Verwendung mochten sein Gebrauch in landwirtschaft-
licher Fachliteratur (damit sein «realistischer) sowohl als auch <unpoetischer>
Charakter) und die Assoziationen, die «caprimulgus» im Zusammenhang mit
Dichtung bekommen hatte (Catull, c. 22,10), davon abraten, den Hirtensänger so
zu nennen.
21 In ecl. 8,33 f. (fistula, capellae, supercilium, promissa barba) sind id. 11,38 und
31 ff. und id. 3,19.34-36 und 9 kontaminiert. Die Ziegen des Komasten haben
den Vorrang vor den Schafen des Kyklopen erhalten; darin wirkt auch id. 8,49-52
nach. Zu v. 34 der achten Ekloge vgl. A. Cartault, Etüde sur les Bucoliques de Vir-
gile, Paris 1897, S. 305 f. und Schmidt, Poet. RefL, S. 67.
22 Diese Rolle des Ziegenhirten ist neu; auch in ihr bestätigt sich die Einheit der
Ernst A. Schmidt
ecl. 4 zur frühen bukolischen Welt. Ecl. 2 lieferte das Material für
Syrinxspiel19 als Gefolgschaft Pans, des Erfinders, ecl. 5 für die Ver-
bindung von Pan und Hirten, ecl. 4 Arkadien als Welt Pans und musi-
schen Empfänger seiner Kunst. Auch das Selbstbewußtsein des Künst-
lers kommt aus der vierten Ekloge.
Die beiden Eklogen 10 und 7 folgen auch darin ecl. 8, daß sie den
Sänger bzw. den Sieger im Sangeswettstreit zum Ziegenhirten machen,
ohne ihn doch, wie auch ecl. 8 nicht, Ziegenhirt zu nennen20. Vom Sän-
ger des ersten Liedes in ecl. 8 wissen wir, wie gesagt, nicht, was für ein
Hirt er ist. Die Rolle aber, die er annimmt, ist die eines arkadischen
Ziegenhirten, nämlich eines Hirten, dessen tibia zu maenalischen Ver-
sen anhebt und dessen Ziegen (v. 33 f.) seiner Geliebten unangenehm
sind, eine Kombination also von Pan/Arkadien und id. 3 (vgl. v. 19 und
34-36)21. Der Sänger von ecl. 10 ist kein Arkader, aber ein Ziegenhirt;
dies, obwohl der Sänger des theokritischen Daphnisliedes in id. 1 ein
Schafhirt ist. Der Sieger in ecl. 7 ist Arkader und Ziegenhirt zugleich,
letzteres auch nach id. 5. So ergibt sich eine konsequente Entwicklungs-
kette: zunächst ist nur die Rolle im Lied eines von zwei Sängern Arka-
der und Ziegenhirt, dann der Sänger schon des ganzen Gedichts Zie-
genhirt, Arkadien aber nur in seinem Lied, schließlich ist ein Sänger
selbst Ziegenhirt, doch nicht nur er, sondern auch sein Gegner sind
Arkader, letzteres nun schon mit solcher Prägnanz der Bedeutung, daß
Arkadien als Lokal fortfallen und Oberitalien mit dem Mincius dafür
eintreten konnte22.
19 Zur Differenz zwischen fistula, calami = σΰριγξ einerseits und tibia, avena, sti-
pula, calamus = μόναυλος andererseits vgl. Peter L. Smith, Vergil’s <Avena> and
the Pipes in Pastoral Poetry, ΤΑΡΑ 101 (1970), S. 497-510. Das Nebeneinander
von «tibia» (Schaltvers) und Syrinx (v. 24; vgl. v. 33) in ecl. 8 ist wohl als «Kon-
tamination) von ecl. 1,2 / 6,8 und id. 1,128 f. / 11,38, / ecl. 2,31 ff. / 3,22.25 f. auf-
zufassen. Vgl. auch u. Anm. 21 und 25.
20 Das Wort «caprarius» ist in den Eklogen nicht belegt. Abgesehen von der Schwie7
rigkeit seiner metrischen Verwendung mochten sein Gebrauch in landwirtschaft-
licher Fachliteratur (damit sein «realistischer) sowohl als auch <unpoetischer>
Charakter) und die Assoziationen, die «caprimulgus» im Zusammenhang mit
Dichtung bekommen hatte (Catull, c. 22,10), davon abraten, den Hirtensänger so
zu nennen.
21 In ecl. 8,33 f. (fistula, capellae, supercilium, promissa barba) sind id. 11,38 und
31 ff. und id. 3,19.34-36 und 9 kontaminiert. Die Ziegen des Komasten haben
den Vorrang vor den Schafen des Kyklopen erhalten; darin wirkt auch id. 8,49-52
nach. Zu v. 34 der achten Ekloge vgl. A. Cartault, Etüde sur les Bucoliques de Vir-
gile, Paris 1897, S. 305 f. und Schmidt, Poet. RefL, S. 67.
22 Diese Rolle des Ziegenhirten ist neu; auch in ihr bestätigt sich die Einheit der