Zur Chronologie der Eklogen Vergils
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Die drei späten Eklogen schließen sich auch darin zusammen, daß
sie «unter einem Thema» stehen, «nämlich dem zentralen der Schei-
dung der Qualitäten: <non omnia possumus omnes>»23. Diesen Ge-
danken Büchners hat A. Richter im letzten Kapitel ihres Buches entfal-
tet24. In ecl. 8 stehen arkadisches Lied und Zaubergesang einander ge-
genüber, in ecl. 10 wird die Elegie des Gallus nach Arkadien hineinge-
holt, in ecl 7 schließlich singen zwei Arkader gegensätzlichster Prägung.
Die zehnte Ekloge erweitert das arkadische Lokal gegenüber dem
Maenalus in ecl. 8 um den Lycaeus (vgl. id. 1,123 f.). Der Anschluß an
ecl. 8 ist deutlich: «pinifer illum etiam sola sub rupe iacentem / Maena-
lus (sc. flecit)» (ecl. 10,14f.). D. h.: «Maenalus argutumque nemus
pinusque loquentis / semper habet, semper pastorum ille audit amo-
res» (ecl. 8,22f.) wird zur Grundsituation des Liedes für Gallus aus-
gestaltet. Gallus ist verliebt und singt seine Liebe. Darum werden er
und seine <amores> (ecl. 10,6) nach Arkadien versetzt, welches die Lie-
der verliebter Hirten zu hören gewohnt ist. So tritt denn auch «Pan,
deus Arcadiae» (v. 26) auf, und den trauernden Gallus umgeben die
arkadischen Hirten. Seine Bitte, sein Liebesleid zu singen, ist einfache
Erweiterung von ecl. 8,23: «pastorum ille audit amores» und schließt
sogar darin an ecl. 8 an, daß es ihre «fistula», die Syrinx Pans, sein soll,
die seine amores singt (v. 34)25. «Soli cantare periti» (v. 32) ist knappste
Zusammenfassung des Anspruchs, den Dämon in der Rolle des arka-
dischen Hirten erhebt, insbesondere der Verse 52-56, des Anspruchs,
durch den Gesang des Liebesleids ein Orpheus und Arion zu sein.
drei späten Eklogen. Entsprechendes läßt sich weder für die Gruppe der drei
frühesten Eklogen noch für die Paare 9, 1 und 6, 4 nachweisen, a) Corydon in ecl.
2 ist offenbar Schaf- und Ziegenhirt zugleich (v. 21.30.42.63 f.), Menalcas in ecl. 3
scheint Ziegenhirt zu sein (die Verse 98 f. 102 f. müßte er dann in bezug auf die
Herde Aegons sagen), Damoetas ist ein Rinderhirt, der die Schafherde des
Aegon mit übernommen hat. Menalcas und Mopsus in ecl. 5 könnten Ziegenhir-
ten sein, wenn man so den einzigen einschlägigen Vers (v. 12) ausdeuten darf,
b) Bei Moeris in ecl. 9 hört man von Ziegen und Rindern, Lycidas hat überhaupt
kein Vieh. In ecl. 1 erscheint Tityrus als Rinderhirt, er besitzt aber auch eine
Schafherde. Meliboeus scheint Ziegenhirt zu sein (v. 12ff. 74ff.), c) In ecl. 6 führt
nur v. 85 darauf, daß Chromis und Mnasyllus Schafhirten sind; das fügt sich aber
gut dazu, daß Tityrus-Vergil als Schafhirt zu denken ist (v. 4 f.). In ecl. 4 kommen
Ziegen und Schafe als Weidevieh vor; Rinder als Herdentiere werden nicht er-
wähnt, nur Pflugochsen wie in ecl. 2 (ecl. 4,41; 2,66).
23 Büchner, a. O., Sp. 234.
24 a. O.,S. 103 ff.
25 Statt auf «tibia» im Schaltvers ist auf v. 24 und 33 zurückgegriffen; vgl. auch ecl.
2,37 und 3,22.25.
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Die drei späten Eklogen schließen sich auch darin zusammen, daß
sie «unter einem Thema» stehen, «nämlich dem zentralen der Schei-
dung der Qualitäten: <non omnia possumus omnes>»23. Diesen Ge-
danken Büchners hat A. Richter im letzten Kapitel ihres Buches entfal-
tet24. In ecl. 8 stehen arkadisches Lied und Zaubergesang einander ge-
genüber, in ecl. 10 wird die Elegie des Gallus nach Arkadien hineinge-
holt, in ecl 7 schließlich singen zwei Arkader gegensätzlichster Prägung.
Die zehnte Ekloge erweitert das arkadische Lokal gegenüber dem
Maenalus in ecl. 8 um den Lycaeus (vgl. id. 1,123 f.). Der Anschluß an
ecl. 8 ist deutlich: «pinifer illum etiam sola sub rupe iacentem / Maena-
lus (sc. flecit)» (ecl. 10,14f.). D. h.: «Maenalus argutumque nemus
pinusque loquentis / semper habet, semper pastorum ille audit amo-
res» (ecl. 8,22f.) wird zur Grundsituation des Liedes für Gallus aus-
gestaltet. Gallus ist verliebt und singt seine Liebe. Darum werden er
und seine <amores> (ecl. 10,6) nach Arkadien versetzt, welches die Lie-
der verliebter Hirten zu hören gewohnt ist. So tritt denn auch «Pan,
deus Arcadiae» (v. 26) auf, und den trauernden Gallus umgeben die
arkadischen Hirten. Seine Bitte, sein Liebesleid zu singen, ist einfache
Erweiterung von ecl. 8,23: «pastorum ille audit amores» und schließt
sogar darin an ecl. 8 an, daß es ihre «fistula», die Syrinx Pans, sein soll,
die seine amores singt (v. 34)25. «Soli cantare periti» (v. 32) ist knappste
Zusammenfassung des Anspruchs, den Dämon in der Rolle des arka-
dischen Hirten erhebt, insbesondere der Verse 52-56, des Anspruchs,
durch den Gesang des Liebesleids ein Orpheus und Arion zu sein.
drei späten Eklogen. Entsprechendes läßt sich weder für die Gruppe der drei
frühesten Eklogen noch für die Paare 9, 1 und 6, 4 nachweisen, a) Corydon in ecl.
2 ist offenbar Schaf- und Ziegenhirt zugleich (v. 21.30.42.63 f.), Menalcas in ecl. 3
scheint Ziegenhirt zu sein (die Verse 98 f. 102 f. müßte er dann in bezug auf die
Herde Aegons sagen), Damoetas ist ein Rinderhirt, der die Schafherde des
Aegon mit übernommen hat. Menalcas und Mopsus in ecl. 5 könnten Ziegenhir-
ten sein, wenn man so den einzigen einschlägigen Vers (v. 12) ausdeuten darf,
b) Bei Moeris in ecl. 9 hört man von Ziegen und Rindern, Lycidas hat überhaupt
kein Vieh. In ecl. 1 erscheint Tityrus als Rinderhirt, er besitzt aber auch eine
Schafherde. Meliboeus scheint Ziegenhirt zu sein (v. 12ff. 74ff.), c) In ecl. 6 führt
nur v. 85 darauf, daß Chromis und Mnasyllus Schafhirten sind; das fügt sich aber
gut dazu, daß Tityrus-Vergil als Schafhirt zu denken ist (v. 4 f.). In ecl. 4 kommen
Ziegen und Schafe als Weidevieh vor; Rinder als Herdentiere werden nicht er-
wähnt, nur Pflugochsen wie in ecl. 2 (ecl. 4,41; 2,66).
23 Büchner, a. O., Sp. 234.
24 a. O.,S. 103 ff.
25 Statt auf «tibia» im Schaltvers ist auf v. 24 und 33 zurückgegriffen; vgl. auch ecl.
2,37 und 3,22.25.