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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0051
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Ovids poetische Menschenwelt

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dem Kraftzentrum her, dem sich das ovidische Werk verdankt, ist diese
These unplausibel. Das Werk, von den Amores bis zur Exildichtung, ist
gewiß vielfältig. Aber diese dichterische Vielfalt spiegelt nicht die Ver-
schiedenheit tiefer Veränderungen und Umbrüche wider; sie ist nicht
der Ausdruck des Nebeneinanders divergierender und inkommensura-
bler Verwirklichungen unzusammenhängender oder gegensätzlicher
Persönlichkeitselemente, sondern entspringt dem Reichtum einer ein-
heitlichen, mit sich selbst einigen, fest geprägten Kraft und der Dynamik
eines seiner selbst intensiv bewußten Interesses, das mit sich selbst in
sicherem Einverständnis lebt. Die Exildichtung ist von den früheren
Werken nicht deshalb so verschieden, weil Ovid sich geändert hätte,
sondern deshalb, weil er sich in radikal veränderter Lebenssituation
nicht geändert hat. Das besagt auch Goethes berühmtes Dictum: „Ovid
blieb classisch auch im Exil: er sucht sein Unglück nicht in sich, sondern
in seiner Entfernung von der Hauptstadt der Welt«.29 Ovid war und
blieb Ovid. Es gibt im ganzen CEuvre nicht einen Vers, in dem Ovid nicht
Ovid, keine Stelle, in der er sich selbst nicht treu wäre.
Die spezifische Gültigkeit der Fränkelschen These in ihrer Deutungs-
kompetenz für die Metamorphosen untersuche ich an der Darstellung
psychischer Konflikte in der Erzählung vor der Verwandlung und in und
nach der Verwandlung (Prozeß und Resultat der Metamorphose).
Die Metamorphose löst entweder Probleme und Konflikte oder
schafft sie erst. Das letztere ist nach Fränkel30 deshalb der Fall, weil
durch die Metamorphose ein Identitätsbruch bewirkt werde. Im ersten
Fall, der Lösung von Problemen und Konflikten, ist die Metamorphose
ein „deus ex machina“, der aber bei aller Wunderbarkeit durch Ovids
Kunst doch in psychologischen Zusammenhang mit dem Problem oder
beiten Fränkel fortsetzen, gibt Holzberg eine knappe und überzeugende Kritik: „Analy-
siert man [.. .] die drei Mythen, die als einzige für eine solche Erklärung (sc. „schwan-
kende oder gespaltene Identität“) überhaupt in Frage kommen (Io, Callisto, Actaeon),
dann stellt man fest, daß die Seele der Verwandelten nicht in zwei miteinander in Wider-
streit liegende Ichs zerteilt ist, sondern ganz einfach von der Erkenntnis gequält wird, in
einem tierischen Leib das menschliche Bewußtsein behalten zu haben (1637-641; II485 f.;
III201-205). “ - James (1986), Crises of Identity nennt in der Bibliographie zwar Fränkels
Buch, bezieht sich aber zuvor keinmal explizit auf ihn; keine Auseinandersetzung. S. 25
diese rätselhafte Bemerkung: „I am indebted to Professor E. J. Kenney for his observa-
tions that the history of Ovid’s universe is possibly one of perpetual identity crisis.“
29 Goethe, Maximen und Reflexionen, Nr. 1032 (1829). Im Blick auf die Person des Dich-
ters unter Berufung auf Goethe Kritik an Fränkel auch bei W. Marg, Gnomon 21 (1949),
S.49.
30 Fränkel (1945), Ovid, S. 80f.
 
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