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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0124
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122

Ernst A. Schmidt

Kapitel 3: Liebe der Menschen

§ 28 Vom Mythos zum Roman
Für Ludwig1 ist met. 6,420/421 die Grenze zwischen zwei,Großteilen4,
für Otis2 met. 6,400/401 der Schnitt zwischen zwei ,Sektionen4. Die letz-
tere Zäsur muß als viel tiefer gelten, da sie eine von nur drei solchen
Werkschnitten (bei insgesamt vier Sektionen4) ist, während in der von
Ludwig angesetzten Fuge nur Zwölftel der Struktur voneinander ge-
trennt werden. Die Annahme einer entscheidenden Grenze bei met.
die Ludwig gerade überwinden und im Erzählfluß innerhalb
der mittleren seiner drei Hauptabteilungen, der mythischen Zeit (met.
I, 452-11,193), als unerheblich dartun wollte3, ist traditionell: von
Crump 1931 als Scheidepunkt zwischen den Metamorphosen-Teilen
„Götter44 (met. 1,452-6,420) und „Heroen und Heroinen44 (met. 6,421-
II, 193) begründet4, wurde sie von vielen, z.B. von Wilkinson5, Büch-
ner6, Galinsky7, übernommen. Mir ist nicht bekannt, welchen Autoren
dabei bewußt war, daß sie ein auf Vico zurückgehendes Schema8 nicht
1 Ludwig (1965), Struktur der Metamorphosen, S. 39.
2 Otis (19702 = 19661), Ovid, S. 83.
3 Vgl. Ludwig (1965), Struktur der Metamorphosen, S. 12 f. 56f.
4 Crump (1931), Epyllion, S. 274ff.
5 Wilkinson (1955), Ovid Recalled, S. 147f.
6 Büchner (1957), Literaturgeschichte, S. 385.
7 Galinsky (1975), Ovid’s Metamorphoses, S. 85.
8 Vgl. Vico, Scienza Nuova, S. 180-182. 198f. 215 f. Vico führt die Dreiteilung der Univer-
salgeschichte („storia ideal eterna“; „tutto il tempo del rnondo“; „tutti i tempi del
mondo“) in „etä degli dei“, „etä degli eroi“ und „etä degli uomini“ auf die Ägypter
zurück und gibt als seine Gewährsmänner Herodot und Varro an. Beide hat er umgedeu-
tet. Bei Herodot findet man nur die Zweiteilung der ägyptischen Geschichte durch die
Ägypter (2,144: τό δέ πρότερον των άνδρών τούτων -θεούς είναι τούς έν Αίγύπτω
άρχοντας). Vico mochte sich zur weiteren Unterteilung durch die drei Sprachen oder
Schriften der Ägypter legitimiert fühlen, die nach Zahl und Reihenfolge mit den drei
Zeitaltern übereinstimmten und je einander zuzuordnen seien: die hieroglyphische
(oder: heilige oder geheime, mit heiligen Zeichen), die symbolische (mit heroischen Zei-
chen) und die epistolarische (oder: „lingua volgare“). Hier bezieht er sich nicht auf Hero-
dot, der die γράμματα nur zweiteilt (2,36,4: τά μέν αυτών ίρά τά δέ δημοτικά καλέεται),
also Hieroglyphen und hieratische Schrift zusammenfaßt. Das varronische Schema, auf
 
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