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Ernst A. Schmidt
schichte21, indem sie diese, d.h. einen Charakter, einen Konflikt, ein
Schicksal als endgültige Form aufhebt und bewahrt. Solche Verewigung
menschlichen Schicksals und Wesens in Gestalten unserer Welt bedeu-
tet, daß diese ganze Welt in allen Seinsbereichen Zeichen oder Meta-
pher für Menschliches und Psychisches ist, Zeichen und Metapher, die
Ovid gleichsam in erzähltes Leben zurückverwandelt bzw. die er durch
erzähltes Leben allererst in den Metaphernstand versetzt. Ovid gibt den
Gestalten des Seins in der Welt ihr mythologisches Aition, das ihren
Metaphernstatus für Menschliches begründet.
Alle Metamorphosen von Menschen sind Verewigungen, bestimmte
Formen ewigen endgültigen unveränderlichen Seins. Das macht Ovids
Dichtung bei allem ziehenden Fluß der buntesten, ja, auch heitersten
Erzählung immer wieder auch so kurzatmig und so beklemmend. Immer
wieder neu wird menschliches Wesen in seinem ganzen Reichtum und in
seiner Lebendigkeit in eine endgültige Gestalt gebracht, und damit hört
Leben auf. Deshalb konnte Rudolf Pfeiffer von einem „Totentanz“22
der Verwandelten sprechen. Aber dies, ,Totentanz‘ ,der ins Element
Erlösten1 (Pfeiffer/Zinn), das ist doch nur em Aspekt der Metamorpho-
sen. Neben solcher Verwandlung von Erzählung und Leben in endgül-
tige Gestalt und festes Bild sind die Metamorphosen auch ein Lebens-
tanz der Weltdinge in Menschlichkeit hinein, eine Vermenschlichung
und Verlebendigung (eben in der aitiologischen Erzählung, wie sie nun
immer zu jenen Weltgestalten und Naturformen gehört) von Gebirge,
Fels, Quelle, Vogel, Blume, Baum, Sternhimmel - bzw., genauer, nicht
von ,Blume‘, sondern von bestimmten Blumen (Heliotrop, Narzisse),
nicht von ,BaunT, sondern von bestimmten Bäumen (Pappel, Weih-
rauchstaude).
Auch Sterne und Götter sind Gestalten unserer Welt wie die Formen
der verschiedenen Vögel und Blumen. Und auch die Apotheose als Me-
tamorphose in einen Gott ist nicht nur der pragmatische Zielpunkt der
Geschichten, sondern die Verbindung zwischen einer Geschichte und
einer ihr als Zeichen und Metapher dienenden Weltgestalt.
21 Vgl. Pianezzola (1979), Metamorfosi come metafora, S. 90.
22 Nach einer Vorlesung Pfeiffers zitiert bei Zinn (1958/67), Zweitausendjahrfeier, S. 23.
Ernst A. Schmidt
schichte21, indem sie diese, d.h. einen Charakter, einen Konflikt, ein
Schicksal als endgültige Form aufhebt und bewahrt. Solche Verewigung
menschlichen Schicksals und Wesens in Gestalten unserer Welt bedeu-
tet, daß diese ganze Welt in allen Seinsbereichen Zeichen oder Meta-
pher für Menschliches und Psychisches ist, Zeichen und Metapher, die
Ovid gleichsam in erzähltes Leben zurückverwandelt bzw. die er durch
erzähltes Leben allererst in den Metaphernstand versetzt. Ovid gibt den
Gestalten des Seins in der Welt ihr mythologisches Aition, das ihren
Metaphernstatus für Menschliches begründet.
Alle Metamorphosen von Menschen sind Verewigungen, bestimmte
Formen ewigen endgültigen unveränderlichen Seins. Das macht Ovids
Dichtung bei allem ziehenden Fluß der buntesten, ja, auch heitersten
Erzählung immer wieder auch so kurzatmig und so beklemmend. Immer
wieder neu wird menschliches Wesen in seinem ganzen Reichtum und in
seiner Lebendigkeit in eine endgültige Gestalt gebracht, und damit hört
Leben auf. Deshalb konnte Rudolf Pfeiffer von einem „Totentanz“22
der Verwandelten sprechen. Aber dies, ,Totentanz‘ ,der ins Element
Erlösten1 (Pfeiffer/Zinn), das ist doch nur em Aspekt der Metamorpho-
sen. Neben solcher Verwandlung von Erzählung und Leben in endgül-
tige Gestalt und festes Bild sind die Metamorphosen auch ein Lebens-
tanz der Weltdinge in Menschlichkeit hinein, eine Vermenschlichung
und Verlebendigung (eben in der aitiologischen Erzählung, wie sie nun
immer zu jenen Weltgestalten und Naturformen gehört) von Gebirge,
Fels, Quelle, Vogel, Blume, Baum, Sternhimmel - bzw., genauer, nicht
von ,Blume‘, sondern von bestimmten Blumen (Heliotrop, Narzisse),
nicht von ,BaunT, sondern von bestimmten Bäumen (Pappel, Weih-
rauchstaude).
Auch Sterne und Götter sind Gestalten unserer Welt wie die Formen
der verschiedenen Vögel und Blumen. Und auch die Apotheose als Me-
tamorphose in einen Gott ist nicht nur der pragmatische Zielpunkt der
Geschichten, sondern die Verbindung zwischen einer Geschichte und
einer ihr als Zeichen und Metapher dienenden Weltgestalt.
21 Vgl. Pianezzola (1979), Metamorfosi come metafora, S. 90.
22 Nach einer Vorlesung Pfeiffers zitiert bei Zinn (1958/67), Zweitausendjahrfeier, S. 23.