Metadaten

Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0073
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ovids poetische Menschenwelt

71

Ausdruck im Metamorphosen-Proömmm nicht widerspruchsvoll sind,
sondern im Gegenteil Überwindung eines alten Widerspruchs in einer
neuen Form.5 Verbinden wir dies und führen wir es im genannten Hori-
zont weiter, so erkennen wir, daß sich Ovid mit seinen Metamorphosen
in die Tradition des narrativen aitiologischen Kollektivgedichts6, insbe-
sondere in die Nachfolge von dessen Archetyp, den kallimacheischen
Aitia, stellt, diese Tradition jedoch ,episch‘ transzendiert.
Die Tradition aitiologischen Erzählens und die Beobachtung der Ein-
maligkeit der ovidischen Verwandlung und der Endgültigkeit der Ge-
stalten, zu denen sie führt - Daphne wird und bleibt Lorbeer, wird we-
der weiter verwandelt in eine Weihrauchstaude und dann eine Elster
noch zurückverwandelt wie Lucius, der seine Eselsgestalt auch wieder
verliert, oder der Kalif, auf dessen „mutabor“ und Storchmetamorphose
ein glückliches im Lateinischen nicht belegtes ,remutatus est‘ folgte -,
bestätigen und erhellen sich gegenseitig. Nicht nur findet man in den
Metamorphosen lateinische Entsprechungen zu den Formeln άχρι νϋν
oder έτι νϋν7, nämlich „nunc quoque“8, „etiam nunc“9, „adhuc“10, „sem-
per“11, „perpetuus“12, „manere“13, sondern es wird auch ohne diese tra-
cheischen Aitia nicht nur in Absicht stärkerer Verbindung der Einzelgeschichten durch
Überleitungen und Rahmen oder der in Teil B dieser Studie aufzuzeigenden Komposi-
tionskunst abgeschworen, sondern geradezu die Einheit und Geschlossenheit von Epos
oder Tragödie (vgl. Dahlmann, a. O.) beansprucht: die Einheit des Stoffes oder der Hand-
lung wäre durch den Menschen als Menschen gegeben. (Vgl. auch Brink, 1963, Horace on
Poetry, bes. S. 66 f.). Dies letztere hat ihm Quintilian nicht abgenommen (und selbst die
Verwandlung nicht als thematisches Einheitsband verstanden): „[. . .] res diversissimas in
speciem unius corporis colligentem (sc. Ovidium in Metamorphosesin)“ (Inst. or. 4,1,77).
5 Vgl. Hofmann (1985), Carmen Perpetuum, S. 224. Vgl. auch Latacz (1979), Metamor-
phosen als Spiel, S. 141 ff.
6 So bereits Lafaye (1904), Modeles d’Ovide, S. 105f. Vgl. auch Wilkinson (1955), S. 154;
Miller (1982), ANRW 11.30.1, S. 396, Anm. 103.
7 Vgl. bes. Antoninus Liberalis, Metamorphoseis nach Nikander, Έτερο ιού μένα, aber
auch Kallimachos; vgl. z.B. fr. 75,50-52 Pf.
8 Vgl. z. B. met. 2,706: „nuncquoque“ ist viel häufiger als die anderen Ausdrücke: Johanna
Loehr hat in einer Seminararbeit 1988 in Tübingen 12 Belege aufgeführt, gegenüber 3 mal
„adhuc“ und 1 mal „etiam nunc“. Solodow (1988), World of the Metamorphoses, S. 176 mit
Anm. 30 führt 14 Belege an. 9 Stellen sind gemeinsam, 5 bzw. 3 verschieden, womit man auf
17 Belege kommt. Die Auswahl divergiert, je nachdem ob man mehr auf die Kontinuität
zwischen alter und neuer Gestalt oder auf die Permanenz der neuen Gestalt schaut.
9 met. 6,312.
10 Vgl. z.B. met. 6,669f.
11 met. 1,558.
12 met. 1,565.
13 Vgl. z.B. met. 10,725.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften