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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0086
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Ernst A. Schmidt

stierung von ,epic‘ und ,amatory‘ ist weder den Metamorphosen ange-
messen noch terminologisch überhaupt möglich.14
In der zweiten Auflage seines Ovidbuches (1970) gibt es ein zusätzli-
ches Kapitel IX, „Conclusion“, das eine Retractatio der ersten Auflage
darstellt und durch das unausgeglichene Nebeneinander von Widerruf
und Aufrechterhaltung der früheren Position Verwirrung stiftet. So
rechnet Otis dort neben einer Vierteilung auch mit einer Dreiteilung -
vermöge Zusammenfassung von ursprünglich I und II. „Gods, men and
history [. . .] thus have each their own major sections or thirds of the
poem“15, womit er sich wieder der konventionellen Dreiteilung (Göt-
ter, Heroen und Menschen)16 nähert. Diese mehrfache17 Abweichung
von der Vierteilung der ersten Auflage wird als solche nicht explizit ge-
macht. Deshalb fällt dem Leser zunächst auch nicht auf, daß damit die
beiden Hauptargumente für die Ansetzung der Sektionen, das einheit-
liche Thema und die analoge Ringkomposition, hinfällig geworden
sind.
Ferner ist unverständlich, wie sich mit der Architektur von vier oder
drei Teilen die folgende neue Behauptung vertragen soll18: die Phile-
mon-Baucis-Geschichte, die „at the exact centre (line-wise) ofthe whole
epic“ stehe, stelle die „,central’ message“ des Gedichtes dar. Das ist
nicht nur in sich unverständlich und ein Widerspruch zum Großaufbau,
wie ihn Otis sonst beschreibt, und zu seiner Binnenkomposition der
Teile; die Erzählung von Philemon und Baucis (met. 8,620-724) steht
auch gar nicht in der Mitte: ihr gehen 6073 Verse voraus, und es folgen
5817. Versmäßig bildet die Mitte der Dichtung die Metamorphose der
Meleagriden (met. 8,542-546): hier gehen 5995 Verse voraus und 5995
folgen. Natürlich wird kein vernünftiger Mensch aus jener Ornithogonie
der um ihren Bruder Meleager trauernden Schwestern die ,central mes-
sage‘ der Metamorphosen machen. Der Leser kann ja solche Mittelstel-
lung unter Tausenden von Versen in keiner Weise nachvollziehen (und
ich habe sie erst mühsam errechnet, mit Hilfe einer modernen Ausgabe
14 Briseis, Helena, Andromache, Kirke, Kalypso, Nausikaa, Penelope, Medea, Dido.
15 Otis (1970). Conclusion to Ovid, S. 316.
16 Vgl. dazu u. S. 122f. mit Anm. 4-8.
17 Vgl. Otis (1970), Conclusion to Ovid, S. 329. 330. 356. Nochmals anders S. 355, wo eine
Zweiteilung in die Bücher 1-11 und 12-15 ergänzt wird durch „breaks“ oder „points of
division“ in den Büchern 6 und 8, wo die beiden ,plans‘ der Dichtung jeweils ihren
Angelpunkt haben. Die Vierteilung der ersten Auflage in der Retractatio auf S. 315.
18 Vgl. Otis (1970), Conclusion to Ovid, S. 344 und 355.
 
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